„Junglandwirtinnen und Junglandwirte bei der Betriebsgründung unterstützen"

Dr. Jana PinkaReden

Rede von MdL Dr. Jana Pinka zum Antrag der Fraktion GRÜNE in Drs 6/12638

069. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 15.03.2018

Es gilt das gesprochene Wort

  

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte gleich zu Beginn feststellen, dass wir die Zielrichtung des vorliegenden Antrages unterstützen. Die LINKE diskutiert seit längerer Zeit verschiedene Wege und politische Flankierungsmaßnahmen, die Junglandwirtinnen und Junglandwirte im Prozess der Betriebsgründung unterstützen sollen. Und wie es häufig in solchen Diskussionen der Fall ist, erzielt man zwar sehr schnell Einigkeit in der Problembeschreibung, schwieriger wird es dann allerdings bei der Erarbeitung einer Lösungsstrategie, zumal dann, wenn sie vollumfänglich sein und trotzdem – der Einfachheit halber – in bestehende Rechtsrahmen und Förderstrukturen hineinpassen soll. Da sind wir als LINKE einfach noch nicht abschließend zu einem Ende der Diskussion gekommen, als uns der Antrag der Grünen Kolleginnen und Kollegen erreichte.

Und klar: Die sachsen-anhaltinische Richtlinie über Existenzgründungsbeihilfen erweist sich als eine solche Fördermaßnahme, die, den nötigen politischen Willen vorausgesetzt, durchaus unkompliziert von Sachsen übernommen werden und einen zusätzlichen Anreiz für Junglandwirtinnen und Junglandwirte darstellen könnte.

Aber aus Sicht der LINKEN – und deshalb mussten wir quasi einen umfangreichen Änderungsantrag im Sinne einer Erweiterung vorlegen – liegt der casus knacksus bei agrarwirtschaftlichen Betriebsneugründungen nicht nur beim Geld, oder vielmehr beim fehlenden Geld. Natürlich freut sich ein Neubauer, eine Neubäuerin, wenn sich da ein neues Türchen auftut, besonders wenn die Zugangsbarrieren auf dem Bodenmarkt so hoch sind. Tatsächlich aber gibt es, wenn man tiefer gräbt, auch ohne zusätzliche Richtlinie zahlreiche Finanzierungsquellen für Neueinrichter – beispielsweise bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank[1].

Was es aber definitiv zu wenig gibt, ist erstens Land, zweitens Land zu erschwinglichen Bodenpreisen und drittens abgabewillige Alteigentümerinnen und -eigentümer, die ihre Hofnachfolge langfristig planen und gezielt vorbereiten. Wenn wir also heute ein zusätzliches Finanzierungsinstrument einführen, dann sollten wir erstens Zugangskriterien genauer definieren und wir sollten zweitens weitere flankierende Maßnahmen auf den Weg bringen, die Junglandwirtinnen und -landwirte auf der Suche nach Hofstellen unterstützen. Und auch da haben wir uns in einzelnen Punkten im Änderungsantrag am Beispiel von Sachsen-Anhalt orientiert, die eine sehr aktive Landsiedlungsgesellschaft haben. 

Wo sehen wir also Verbesserungsbedarf beim Antrag der Grünen?

Im Punkt 1 des Antrages wird die Förderung gewährt, wenn der Betrieb nachweislich Maßnahmen erbringt, die über die bestehenden gesetzlichen Vorgaben und die Cross-Compliance-Vorschriften der 1. Säule der GAP hinausgehen. Wir haben jüngst in der Anhörung zum Insektensterben gehört, dass ein Umsteuern in der Landbewirtschaftung dringend erforderlich ist, also geht für uns klar, dass wir Betriebe, die es anders machen wollen, besonders unterstützen müssen. Soweit so gut. Wie genau aber solche weitergehenden Maßnahmen aussehen sollen und wie weit jeweils über die Grundanforderungen hinausgegangen werden soll, das ist bislang nicht geregelt. Dafür enthält unser Änderungsantrag einen Regelungsvorschlag.

Und schließlich flankieren wir die Gründungsbeihilfe im Punkt III mit einem Kanon weiterer Maßnahmen für die aufwändige Suche nach Hofstellen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass das Finanzierungsinstrument überhaupt nur Wirkung entfalten kann, wenn zeitgleich auch die anderen agrarwirtschaftlichen Baustellen bearbeitet werden.

Dazu ein kurzer Exkurs in die aktuelle agrarpolitische Situation in Sachsen:

im Zeitraum 1999 bis 2016 ist rund jede vierte Agrargenossenschaft aufgelöst und in eine andere Rechtsform umgewandelt worden. Die verbliebenen Agrargenossenschaften bewirtschafteten 2016 knapp 29% der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Von den rund 73.000 Hektar Land, die seit 1999 die Agrargenossenschaften verlassen haben (mithin rund 8 % der gesamten Landwirtschaftsfläche), wurden im Jahr 2016 saldiert rund 10.200 Hektar in Einzelunternehmen und GbR eingegliedert und rund 49.000 Hektar bei den weiteren Rechtsformen.

Unklar bleibt ein Rest von 14.000 Hektar „verschwundener“ Landwirtschaftsfläche in Sachsen - Straßenbau und anderweitige Nutzungen können wohl kaum plötzlich in so großem Umfang Flächen entziehen. Mögliche Ursache ist das Betriebssitzprinzip: befindet sich der Betriebssitz des Landwirtschaftsbetriebes in einem anderen Bundesland, wird die jeweilige Betriebsfläche diesem anderen Bundesland zugerechnet; auch das kann eine Folge von Bodenspekulation sein. Damit verschwinden diese Betriebe zudem aus der sächsischen Statistik.

Einzelunternehmen und GbR gemeinsam bewirtschaften knapp 40% der landwirtschaftlich genutzten Fläche Sachsens. Die Einzelunternehmen und GbR machen gemeinsam den Löwenanteil der Betriebe aus – insgesamt rund 90%. Diese Betriebe bewirtschaften kleine Flächen: 55 % der Betriebe arbeiten auf Flächengrößen von unter 20 Hektar. Bei der Anzahl dieser Betriebe ist ein gewaltiger Rückgang und eine erhebliche Fluktuation[2] zu beobachten. Es besteht weiterhin eine große Unschärfe: Zahlreiche sehr kleine Betriebe werden statistisch nicht erfasst.

Bleibt die unübersichtliche Gruppe weiterer möglicher rechtlicher Betriebsformen (GmbH, KG, OHG, AG, Verein, Stiftung usw.). Diese bewirtschaften mittlerweile fast jeden dritten Hektar in Sachsen. Deren Anzahl hat sich im Vergleich zu Agrargenossenschaften und Einzelunternehmen und GbR im Zeitraum 1999 bis 2016 um 123 erhöht. Damit ist diese Gruppe der im Durchschnitt rund 500 Hektar großen Betriebe wohl als Gewinner der Strukturveränderungen in der sächsischen Landwirtschaft zu bezeichnen.

In Bezug auf die Relation der gepachteten zu den selbst bewirtschafteten Flächen zeigt sich, dass alle Eigentumsformen in merklichem Umfang (rund 10% seit 2005) Flächen zugekauft haben. Nach wie vor ist Flächeneigentum bei Einzelunternehmen verbreiteter (etwa 45%) als bei juristischen Personen (etwa 25%) oder Personengesellschaften (etwa 29%).[3]

Die 237 Betriebe in Sachsen, die über 1.000 Hektar groß sind, sind in 52% der Fälle Agrargenossenschaften (absolut 124 Betriebe), in 43% der Fälle sonstige Rechtsformen wie GmbH oder Aktiengesellschaften (absolut 101 Betriebe) und in 5% der Fälle Einzelunternehmen oder GbR (absolut 12 Betriebe).

In Sachsen waren im Jahr 2010 bei über 2.500 Einzelunternehmen bzw. auf insgesamt 100.000 Hektar Betriebsfläche die Hofnachfolge unklar[4]. Später wurden derartige Daten nicht mehr erhoben.

Das zu den Zahlen.

Wer interessiert sich nun wofür? Während Investoren in erster Linie daran interessiert sind, sich in große Betriebe einzukaufen, haben Junglandwirtinnen und -landwirte in erster Linie überschaubare Strukturen im Kopf und setzen weniger auf den Weltmarkt, und mehr auf den Wochenmarkt. Die Interessenlage ist also durchaus verschieden.

Aber alle landwirtschaftlichen Betriebe haben unabhängig von der Rechtsform seit Jahren zunehmend wirtschaftliche Probleme, die aus ihrer Betriebsfläche an den Markt kommenden Pachtflächen oder Ersatzflächen zu kaufen.[5] Bodenpreise am freien Markt liegen seit Jahren in der Regel weit über dem Ertragswert und sind somit aus der Landwirtschaft nicht mehr zu finanzieren. Das gilt insbesondere, soweit die Betriebe mit Massenprodukten und „Weltmarktausrichtung“ arbeiten wollen und infolgedessen die Angebote des Großhandels akzeptieren müssen.

Insbesondere kleine Betriebe haben jedoch die Chance, in der unmittelbaren Nähe eine Direktvermarktung oder spezialisierte Produktveredelung aufzubauen und bedarfsentsprechend qualitativ hochwertige Produkte (insb. Gemüse und Obst) anzubieten. Gerade dadurch nimmt die Vielfalt der Kulturen zu, die Fruchtfolgen werden weiter. Gleichzeitig kann etwas für vitale Dörfer getan werden. Insbesondere das hierzulande noch relativ neue Geschäftsmodell der „Solidarischen Landwirtschaft“ kann zudem nur von kleinen Betrieben authentisch dargestellt werden.

Was wir brauchen, ist also zweierlei:

eine Begrenzung der Bodenpreisentwicklung. Hier müssen gesetzliche Regelungen dafür sorgen, dass außerlandwirtschaftliches Kapital, was lokale Anliegen kaum im Blick hat, nicht zum Zuge kommt - und

eine Unterstützung bei der Hofnachfolge und der Verfügbarkeit von Land bei Existenzgründerinnen und –gründern – dafür liegen die Vorschläge auf dem Tisch

Zur Bodenpreisentwicklung ist zu sagen:

Eine Antwort auf die seit Jahren besorgniserregende Entwicklung hat der Gesetzentwurf meiner Fraktion zur Agrarstrukturverbesserung aus dem Jahr 2012 gegeben. Dass der abgelehnt wurde, war ja zu erwarten – genauso wie der Bodenfonds, den wir in den folgenden Jahren regelmäßig im Rahmen der Haushaltsdiskussionen immer wieder vorgeschlagen haben. Aber dass von Seiten der sächsischen Staatsregierung keine sichtbaren Anstalten gemacht werden, sich der Probleme bei der Bodenverteilung oder beim Bodenpreis anzunehmen, das ist fahrlässig. Wer Grundstücksverkehrs- und Pachtrecht nicht anfassen oder BVVG-Land erwerben will, der hat auch keine Regelungsmöglichkeit, um Schäden an der Agrarentwicklung zu verhindern, geschweige denn durch Landverpachtung nach eigenen Vorstellungen irgendwie zu steuern. Hinzu kommen die eingangs erwähnten seit 2007 verschwundenen 14.000 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche in Sachsen – die Staatsregierung sollte sich schnellstens darum kümmern, hier aufzuklären und eine belastbare Statistik zu liefern.

Der Wandel von der Pächter- zur Eigentümerstruktur, wie es Herr von Breitenbuch gern nennt, ist für mich kein Wert an sich – insbesondere, wenn dabei die Agrarstruktur auf der Strecke bleibt und ganz am Ende außerlandwirtschaftliche Investoren zugreifen, weil sich die Betriebe beim „Wachsen oder Weichen“ übernommen haben. Dann geht der Boden gewiss nicht „zum besten Wirt“.

Zur Unterstützung der Hofnachfolge sinnvolle Maßnahmen enthält unser Änderungsantrag (Drs 6/12710).

Weitere Flächen würden zur Verfügung stehen, wenn etwa jeder über 1.000 Hektar große Betrieb 1 oder 2% seiner Flächen an Junglandwirtinnen oder -landwirte abgeben würde. Sachsenweit kämen bei einer Fläche von rund 15 bis 30 Hektar pro 1000-Hektar-Betrieb so rund 4.000 bis 8.000 Hektar zusammen.


[1]https://www.rentenbank.de/foerderangebote/landwirtschaft/produktionssicherung/index-245.html

[2] (absolut: 1999 ca. 7.300, 2007 ca. 7.600, 2016 ca. 5.700 Betriebe)

[3] SMUL (2017): Agrarbericht in Zahlen (2016), S. 25. Online unter: https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/28552/documents/43912

[4] Statist. Landesamt Sachsen, Agrarstrukturerhebung: landw. Betriebe (Einzelunternehmen), Fläche (LF) (Einzelunternehmen), Hofnachfolge – Kreise, (Gebietsstand ab 01.01.08) - Jahr (2010); 41141-340K

[5]http://www.agrarbuendnis.de/fileadmin/DAten_AB/Projekt_Bodenmarkt/Kassel_2017-12-11/2017_12_11_BLG_Goetz.pdf