„Gesetz zur Verbesserung der Beteiligung der Bevölkerung an der Planung und Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs im Freistaat Sachsen (Sächsisches ÖPNV-Beteiligungsgesetz)“

Rede von MdL Marco Böhme zur Einbringung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE in Drs 6/15562

085. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 14.12.2018

Auszug aus dem Stenografenprotokoll

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Meine Damen und Herren!

Mit dem Gesetzentwurf möchten wir für die Bevölkerung die Beteiligung im ÖPNV verbessern. Er besteht im Wesentlichen aus drei inhaltlichen Zielen. Zum einen geht es um die Stärkung der Demokratie; denn ÖPNV geht uns alle an. Wir sind alle damit irgendwie in Berührung, und auch Autofahrerinnen und Autofahrer haben damit eine gewisse Berührung, wenn sie nicht mehr im Stau stehen müssen, weil Leute im ÖPNV fahren. Daher ist es eine Stärkung der Demokratie. Es ist aber auch eine Stärkung des ÖPNV an sich, weil es dabei um Qualitätsverbesserung geht und am Ende auch eine Stärkung der Menschen mit sich bringt, die damit fahren, die mobiler sein können oder mehr Qualitäten als Ergebnis bekommen und damit eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben können.

Mit diesem Gesetz soll vor allem erstmalig ein gesellschaftlicher oder gesetzlicher Rahmen für die Einwohnerinnen und Einwohner, für die Fahrgäste und für Interessenvertretungen von Fahrgastverbänden geschaffen werden, damit sie sich überhaupt beteiligen können. Das geht nämlich heute noch nicht so einfach, zumindest nicht gesetzlich garantiert. Meine Damen und Herren, das wird eben höchste Zeit. Deshalb gibt es diesen Gesetzentwurf. Die genannten Zielgruppen sollen mit diesem Gesetz in eine umfassende Beteiligung bedarfsgerechter Planung, also der Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV, eingebunden werden.

Es ist die Frage: Wie? Im Grunde ist es ganz einfach: Es geht natürlich um die frühzeitige Information der ÖPNV-Zweckverbände. Davon haben wir heute noch fünf Stück. Die Informationen liefern sie heute auch schon. Es geht uns aber - zweitens -auch um eine rechtzeitige Beteiligung. Die Menschen sollen wirklich eingebunden werden, jene, die von möglichen neuen Linien, Veränderungen von Linien oder von Infrastrukturmaßnahmen betroffen sind, also die Einwohner, außerdem jene, die damit fahren oder zukünftig fahren werden, sowie die Interessenvertreter der Fahrgastverbände. Dabei sollen die Aufgabenträger des ÖPNV verpflichtet werden, diese Zielgruppen einzubinden.

Wie soll das konkret ablaufen? Zunächst soll es zu allen Punkten, die die Erschließung betreffen, eine öffentliche Beteiligungspflicht geben, wo und wie häufig ein Bus fährt, welcher Service angeboten wird, ob er barrierefrei ist, wie er ausgestaltet ist und welche Umwelteigenschaften dabei zu berücksichtigen sind. Auch bei kommunalen Nahverkehrsplänen soll diese Beteiligung auftauchen sowie bei der Tarifgestaltung und der Organisation von Schülerverkehr. Dies alles sind Punkte, die berücksichtigt werden sollen.

Der ÖPNV-Aufgabenträger soll dann mögliche Varianten aufzeigen und die Auswirkungen, die Variante A oder B dadurch hat. Vorher müssen die Aufgabenträger aber den Beteiligten Konzepte und Informationen übermitteln. Dazu kommt, dass wir kommunale Fahrgastbeiräte fördern wollen. Es gibt bereits einige, und wir haben in der gestrigen Haushaltsdebatte als Gegenargument zu unserem Haushaltsantrag gehört, dass es bereits kommunale Fahrgastbeiräte gibt. Ja, diese gibt es, allerdings nur sehr, sehr wenige: etwa nur fünf oder sechs in ganz Sachsen, die wirklich aktiv sind. Sie sind bei den kommunalen Verkehrsunternehmen angesiedelt, sind also Teil des Unternehmens und bekommen dort einen Raum, in dem sie sich einmal in der Woche treffen können und dann mehr oder weniger im Sinne des Unternehmens die Rechte der Fahrgäste vertreten. Dies halten wir für einen Schritt in die richtige Richtung, und wir sind froh, dass es sie gibt. Wir haben uns auch mehrmals mit ihnen in der Fraktion getroffen. Doch eigentlich muss es darum gehen, dass sich diese Fahrgastverbände unabhängig von den jeweiligen Verkehrsunternehmen treffen und agieren können.

Deshalb fordern wir bestimmte Rechte für sie ein:

Sie sollen frei und nach eigenem Ermessen tätig werden können. Sie sind ehrenamtlich tätig, sollen aber eine Aufwandspauschale von der Kommune bekommen; und sie können sich jederzeit an die Öffentlichkeit wenden, wenn es zum Beispiel darum geht, dass sie sich bei dem Unternehmen in der Region, für die das Verkehrsunternehmen tätig ist, beschweren wollen. Dafür soll eine Geschäftsstelle eingerichtet werden, die von der Kommune übernommen wird.

Auf Landkreisebene fordern wir eine kommunale Beteiligungsmanagerin bzw. einen Beteiligungsmanager, der bzw. die in Vollzeit angestellt ist, diese Aufgaben übernimmt und die kommunalen Fahrgastbeiräte, die ja ehrenamtlich tätig sind, unterstützt.

Hinzukommen soll, dass es einen sächsischen Landesnahverkehrsrat geben soll, der beim sächsischen Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Auch dieser ist natürlich unabhängig und frei von Weisungen zu betrachten. Er ist bei Gesetzesvorschlägen vom Parlament oder von der Staatsregierung anzuhören. Er soll zu Verordnungen und Verwaltungsvorschriften angehört werden und zu Planungsvorhaben der Aufgabenträger sowie zu Förderungsprogrammen Stellungnahmen abgeben können. Er kann auch eigene Vorschläge einbringen und soll dem Landtag alle zwei Jahre einen Bericht zum Zustand des ÖPNV in Sachsen geben.

Zusammengesetzt sein soll der Landesnahverkehrsrat aus ÖPNV-Beauftragten und kommunalen Fahrgastbeiräten, den Beteiligungsmanagerinnen und -managern auf der Landkreisebene und Vertreter(innen) von Behinderten- bzw. Mobilitätsverbänden sowie weiteren Mitgliedern, die nicht stimmberechtigt sind: Planungsverbände, das Landesamt für Straßenbau und Verkehr oder auch die Verkehrsverbünde selbst.

Wir finden, Mobilität ist ein Grundrecht, und die Teilhabe gehört zum gesellschaftlichen Leben. Wir haben leider in den letzten 28 Jahren erlebt, dass der ÖPNV in Sachsen nicht gerade massiv aufgebaut, sondern eher massiv abgebaut wurde. Wir haben in den letzten 20 Jahren vor allem einen massiven Abbau im Schienenverkehr erleben müssen; Bahnhöfe und Linien wurden geschlossen. Es gab aber gleichzeitig auch drastische Fahrpreissteigerungen in den Großstädten. Wir haben zwar mehr Komfort, aber wir haben nicht mehr überall Bus- oder Straßenbahnverbindungen. In vielen Regionen Sachsens gibt es keinen ÖPNV mehr, den man so nennen kann.

Genau diese Herausforderungen und Probleme können wir nicht nur hier im Landtag regeln, indem wir mehr Geld geben und neue Strukturen schaffen, sondern wir müssen auch die Menschen vor Ort, die es betrifft, besser einbeziehen, damit es dem ÖPNV nicht weiter an den Kragen geht. Dabei sind auch die Herausforderungen des Klimawandels zu berücksichtigen, wobei der Verkehrsbereich ein bedeutender Sektor ist, in dem es C02 einzusparen gilt. Da wir dies nicht zentral steuern können, sondern vor Ort steuern müssen, brauchen wir auch die Beteiligung der Menschen.

Zusammengefasst: Wir fordern kommunale Fahrgastbeiräte dort, wo ÖPNV stattfindet. Wir fordern Beteiligungsmanagerinnen und -manager auf Landkreisebene. Wir fordern einen Landesfahrgastbeirat, wie es ihn bereits in vielen Bundesländern gibt, und wir fordern einen ÖPNV-Beauftragten im Landtag, der alle zwei Jahre einen Bericht liefert und uns bei der inhaltlichen Gestaltung von Anträgen und Gesetzen unterstützt. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, wenn wir ihn dann endbehandeln; aber zunächst bitte ich um die Ausschussüberweisung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)