Bartl: Sächsisches Sonder-Recht? Rundverfügung greift in die unabhängige Justiz ein und produziert Prozesslawine

 

Zur heutigen gemeinsamen Pressekonferenz des sächsischen Justizministers Gemkow und des Generalstaatsanwaltes Strobl, in der die neue „Rundverfügung des Generalstaatsanwaltes zur einheitlichen Strafverfolgungspraxis und Strafzumessung“ vorgestellt worden ist, erklärt der verfassungs- und rechtspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE Klaus Bartl:

Strobl will u. a., dass künftig schon bei Schadensbeträgen von zehn EUR Strafbefehl oder Anklage starten. Abgesehen davon, dass dieser Weg das Gegenteil der langjährigen Forderung auch vieler Praxisvertreter und Vertreter der Kriminalwissenschaften ist, Bagatellkriminalität eben nicht aufwändigen Strafverfahren zu unterwerfen, sondern wirksam mit Instrumentarien aus dem Ordnungswidrigkeitsrecht zu reagieren, respektive Kleinstraftaten zu entkriminalisieren: Minister und Generalstaatsanwalt sind damit auf dem Weg, von Verfahrenseinstellungen wie sie die Strafprozessordnung für die Bundesrepublik insgesamt vorsieht, in Sachsen nicht oder quasi nur in zu rechtfertigenden Ausnahmefällen Gebrauch zu machen. Damit aber gerät die Sache gefährlich nah an den Eingriff in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung.

Ob und wann ein Staatsanwalt oder ein Richter die gesetzlich geregelten Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung sieht, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Richters oder des Staatsanwaltes, je nachdem, in welchem Verfahrensstadium die Sache spruchreif wird. Zwar unterliegen Staatsanwälte dem Weisungsrecht. Das wird allerdings seit Jahrzehnten immer schon dann als problematisch erachtet wird, wenn die Weisungen de facto in die praktizierte Rechtsanwendung/Rechtsprechung eingreifen. Da zudem Richter solche Einstellungen nach §§ 153, 153 a, 154 a StPO nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft machen können, die wiederum der Generalstaatsanwalt mit ministeriellem Segen bei pflichtgemäßem Ermessen an die Leine legt, berührt diese Rundverfügung auch die Rechtsprechung.

Wir sind dafür, dass Verfahren schnell und qualifiziert erfolgen, allerdings unter Wahrung aller Rechte, dazu gehören auch die der Angeklagten. Je schneller die Reaktion auf die Tat folgt, desto nachhaltiger ist die Wirksamkeit und desto schneller erhalten die Opfer ihre Genugtuung. Das aber darf nicht auf Kosten von oder durch Reduzierung der rechtsstaatlichen Prinzipien passieren. Wenn der Justizminister nun von zehntausend Verfahren mehr spricht, scheint er über die Belastung der Justiz nicht ganz im Bilde zu sein, und die durch die im aktuellen Landeshaushalt verankerten neuen Stellen vorgesehene Entlastung verpufft sofort wieder.