Kerstin Köditz: „Reichsbürger“ waren auch im Corona-Jahr 2020 ein gravierendes Sicherheitsproblem in Sachsen

 

Die sächsische Justiz muss sich nach wie vor in zahlreichen Fällen mit Personen aus der „Reichsbürger“-Szene auseinandersetzen. So bearbeiteten die Staatsanwaltschaften März 2018 bis Ende 2020 insgesamt 1.269 Ermittlungsverfahren, bei denen 415 teils mehrfach Beschuldigte „einen Bezug zu sogenannten Reichsbürgerinnen oder Reichsbürgern bzw. sogenannten Selbstverwalterinnen oder Selbstverwaltern aufwiesen“. Das teilte das Justizministerium der Sprecherin der Linksfraktion für Antifaschistische Politik, Kerstin Köditz, auf deren neuste Kleine Anfrage (Drucksache 7/4993) zu diesem Thema mit. Kerstin Köditz erklärt dazu:

„Auch im Corona-Jahr 2020 gab es keine Entspannung, 413 einschlägige Fälle wurden verzeichnet. 2019 waren es 422 gewesen. Hintergrund: Seit rund vier Jahren markieren hiesige Staatsanwaltschaften entsprechende Verfahren und Personen in einer Spezialdatenbank mit dem Attribut ,Reichsbürger‘ (Drucksache 6/12607). Anfangs gab es gut 30 Verfahren pro Monat, in denen diese Kennzeichnung vergeben wurde (Drucksache 6/12948). Die jetzt vorgelegten Daten zeigen, dass dieser Wert seither angestiegen ist. Inzwischen sind es im Schnitt mehr als 37 Fälle pro Monat.

Die Verfahren aus dem abgefragten Zeitraum verteilen sich auf 108 Straftatbestände, vielfach aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität, oft ohne erkennbaren politischen Bezug. Am häufigsten verzeichnet sind Nötigungen (232), Beleidigungen (111) und Betrug (81). Hinzu kommen aber unter anderem etliche teils gefährliche Körperverletzungen, Verstöße gegen das Waffen- und das Betäubungsmittelgesetz sowie schwere Sexualstraftaten. Am stärksten belastet ist die Staatsanwaltschaft Dresden, die statistisch gesehen mehr als ein Viertel aller Reichsbürger-Fälle bearbeitet.

Auch für sächsische Gerichte sind die Reichsbürger ein anhaltendes Sicherheitsproblem. So mussten 2020 bei mindestens 76 Verhandlungsterminen – zumeist in Strafsachen – besondere Vorkehrungen getroffen werden, etwa verschärfte Einlasskontrollen und der Einsatz zusätzlicher Sicherheitskräfte. Dennoch wurden mindestens drei Verhandlungen teils massiv gestört, bei einem weiteren Temin wurde ein Justizwachtmeister beleidigt. 2019 waren bei zumindest 67 Verhandlungsterminen mit Reichsbürger-Beteiligung spezielle Vorkehrungen erforderlich gewesen, weil Sicherheitsbedenken bestanden. Offenbar ist das nur die Spitze des Eisbergs, denn die Daten sind laut Justizministerin ,nicht notwendigerweise vollständig‘, eine gesonderte Statistik gibt es nicht.


Das Innenministerium, das sich auf Schätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz stützt, zählte zuletzt sachsenweit 1.050 Personen zu den Reichsbürgern (Drucksache 7/4961). Zuvor hatte die amtliche Schätzung weit höher gelegen und sich auf bis zu 1.600 belaufen. Doch so oder so: Es handelt sich unverändert um eine gefährliche und teils kriminelle Minderheit.“