Juliane Nagel: Sachsen kann sich keine weiteren Abschiebe-Skandale leisten – rechtlichen Spielraum für Bleiberechtsoffensive nutzen!

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Es ist eine bewusst restriktive Rechtsauffassung, die das Staatsministerium des Inneren in Sachen Bleiberecht vertritt. Dieses Fazit lässt sich aus der Sachverständigen-Anhörung zum Antrag der Linksfraktion „Dauerhaftes Bleiberecht für aktiv geduldete Menschen ermöglichen!“ (Drucksache 7/ 7155) ziehen, die heute im Innenausschuss des Sächsischen Landtags stattfand. Das Innenministerium hatte in seiner Stellungnahme die eingebrachten Punkte der Linksfraktion entweder als rechtswidrig kategorisiert oder sich für nicht zuständig erklärt. Diese Auffassungen sind nicht ohne Weiteres haltbar. Die Ausführungen der Sachverständigen haben verdeutlicht, dass es durchaus Spielraum für mehr Bleiberechte und weniger Abschiebungen in Sachsen gibt.

Für Matthias Lehnert, Anwalt und unter anderem tätig im Migrationsrecht, leitet sich der Spielraum allein aus den Pflichten der Ausländerbehörden ab: "Die Ausländerbehörden werden oft vergessen, wenn von den Mitwirkungspflichten im Aufenthaltsrecht die Rede ist. Sie gelten beidseitig - für den vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen und für die Behörde. Gerade von Seiten der Behörden kann ich als Anwalt häufig nur mangelhafte Pflichterfüllung feststellen - mit ganz konkreten Konsequenzen. Eine Ausländerbehörde kann durch schludriges oder restriktives Verhalten den Weg zur Aufenthaltserlaubnis über Jahre verbauen - aber die Abschiebung dann schnell vollziehen."

Jörg Eichler vom Sächsischen Flüchtlingsrat und Mitglied der Sächsischen Härtefallkommission, bestätigt diese Einschätzung: "Gerade bei der Hinweis- und Informationspflicht der Ausländerbehörden bestehen in Sachsen teils große Defizite. Hier muss dringend politisch mit den rechtlich gebotenen Mitteln nachzugesteuert werden. Die Ausländerbehörden müssen an ihre Mitwirkungspflichten erinnert und nachdrücklich dazu angehalten werden, Asylsuchenden den Weg in Aufenthalt und Arbeit zu ermöglichen. Das ist auch unter der jetzigen, reformbedürftigen und wahrlich nicht rosigen Lage des bundesdeutschen Aufenthaltsrechts möglich."

Beide betonen, dass es für Zugänge zu Ermessens-, Ausbildungs- und Beschäftigungsduldungen fundierte Rechtsgrundlagen gibt, die vor Abschiebungen schützen, auch, um die Menschen nicht vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen und sie in einen Zustand permanenter Angst zu versetzen. "Wir sprechen hier unter anderem von menschen- und grundrechtlichen Vorgaben wie der Europäischen Menschenrechtskonvention. Ihr Geist muss nur mitgedacht werden, auch in den Amtsstuben eines Innenministeriums.", betont Matthias Lehnert.

Juliane Nagel, asylpolitische Sprecherin der Linksfraktion, schließt:

"Eine Bleiberechtsoffensive bleibt unsere Antwort auf die menschenrechtswidrige Abschiebepraxis der sächsischen Regierung. Erst in der vergangenen Woche hatte das Innenministerium wiederum einen Tabubruch veranlasst, indem ein siebenjähriger Junge auf dem Schulweg von der Polizei abgeholt und mit seiner Mutter und Großmutter abgeschoben wurde. Nach der Anhörung hat die Koalition nun eine umfassende Informationsgrundlage, mit der sie in die Offensive für mehr Bleiberechte gehen kann. Ausführlich wurden heute auch die Chancen erörtert, die sich aus dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ergeben. Die heutige Expertise der Sachverständigen für die sächsischen Spielräume und der Ausblick auf mehr aufenthaltsrechtliche Bleibe-Optionen durch den Bund geben Rückenwind! Eile ist das Gebot der Stunde, Sachsen kann sich keine weiteren Abschiebe-Skandale leisten."

Hintergrund:

In Sachsen lebten zum 30. Juni 2021 11.386 Personen mit einer Duldung. Anstelle des von der Koalition diskutierten "Rückführungsleitfadens" zur "Humanisierung" von Abschiebungen, fordert die Linksfraktion alle Möglichkeiten ausnutzen, den geduldeten Menschen hier ein Bleiberecht zu ermöglichen.