Juliane Nagel: Ersatzfreiheitsstrafe durch Prävention und gemeinnützige Arbeit ersetzen – Sinnlos-Sanktion trifft arme Menschen

 

Die Linksfraktion fordert heute im Landtag (Drucksache 7/9269), das Instrument der Ersatzfreiheitsstrafe zu überwinden. Die sächsische Justizministerin Katja Meier Schritte hatte ebenfalls Schritte in diese Richtung vorgeschlagen. Die in Leipzig direkt gewählte Abgeordnete Juliane Nagel, die auch Mitglied des Anstaltsbeirates der JVA Leipzig ist, erklärt:

„Wer gegen Gesetze verstößt, muss sich verantworten. Ein zivilisiertes Gemeinwesen darf sich aber nicht darauf beschränken, Fehlverhalten zu bestrafen. Vielmehr müssen wir in unserem eigenen Interesse darauf hinwirken, dass die Betroffenen künftig gesetzestreu leben. Geldstrafen werden meist nicht gezahlt, weil Armut die Betroffenen daran hindert. Daran ändert auch eine Haftstrafe nichts, sie verschärft sogar persönliche Krisen und verschlechtert die Sozialprognose.

Wird stattdessen gemeinnützige Arbeit geleistet, ergeben sich kriminalpädagogische Ansatzpunkte. Wenn Betroffene persönliche Lebenskrisen wie Suchtprobleme oder Verschuldung überwinden können, werden sie mit höherer Wahrscheinlichkeit künftig rechtstreu leben als nach einer Haftstrafe. Strafe muss zudem dem Schuldausgleich und der Prävention dienen. Ihr Sühnezweck ist besser erfüllt, wenn die Verurteilten gemeinnützig arbeiten. Davon profitiert die Gesellschaft – andernfalls muss sie nicht nur auf Einnahmen aus der Geldstrafe verzichten, sondern auch noch den teuren Haftaufenthalt finanzieren. Über 2.400 Ersatzfreiheitsstrafen wurde im Jahr 2021 und im Januar 2022 in Sachsen vollzogen – hunderte Menschen kamen also ins Gefängnis, um ihre Geldstrafe abzusitzen, und der öffentlichen Hand entstanden Kosten in zweistelliger Millionenhöhe. Wir müssen anstelle dieser Sinnlos-Sanktion verstärkt auf gemeinnützige Arbeit setzen. Die dafür nötige Trägerlandschaft muss unterstützt und ausgebaut, straffällig gewordene Menschen müssen adäquat begleitet und stabilisiert werden.

In Dänemark und Schweden darf bei Zahlungsunfähigkeit keine Haftstrafe angeordnet werden – die Ersatzfreiheitsstrafe ist dort seit fast vierzig Jahren praktisch abgeschafft. Damit wäre es aber nicht getan. Sozialdienste und soziale Träger, die Straffällige auch bei gemeinnütziger Arbeit begleiten, müssen gestärkt werden. Außerdem sollten Bagatelldelikte wie das Fahren ohne gültigen Fahrausweis oder kleine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht mehr als Straftat gelten, die letztlich ins Gefängnis führen können. Vor allem aber muss eine sozial gerechte Politik Armut und Wohnungslosigkeit verhindern. Ersatzfreiheitsstrafen treffen vor allem ökonomisch benachteiligte, einkommens- und vermögensarme Menschen. So sind laut dem MDR 15 Prozent der Betroffenenwohnungslos, andere Daten sprechen von bis zu 40 Prozent bundesweit. Armut wird also faktisch mit Freiheitsentzug bestraft.“