70 Jahre Grundgesetz: Grund zum Feiern, Grund zum Kämpfen

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Am 23. Mai 1949, vor 70 Jahren, verkündete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz. „Es ist als Gegenentwurf zur Nazi-Barbarei konzipiert. Artikel 1 ist eine direkte Antwort auf den Zivilisationsbruch“, so Rechtspolitiker Klaus Bartl in der von der Linksfraktion beantragten Debatte zum Jahrestag.

Am 23. Mai 1949, vor 70 Jahren, verkündete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz. „Es ist als Gegenentwurf zur Nazi-Barbarei konzipiert. Artikel 1 ist eine direkte Antwort auf den Zivilisationsbruch“, so Rechtspolitiker Klaus Bartl in der von der Linksfraktion beantragten Debatte zum Jahrestag. DIE LINKE bringe die Diskussion bewusst ins Landtagsplenum, „obwohl wir die derzeitige Gesellschaftsform und ihren Staat nicht als der Weisheit letzter Schluss betrachten, obwohl wir in ihr viel Kritikwürdiges erkennen und verändern wollen“, so Bartl. Dennoch repräsentierten das Grundgesetz und seine humanistische Werteordnung „für uns die Elemente der bürgerlichen Gesellschaft, die es in jeder Gesellschaftsordnung, die den Anspruch erhebt, über diese hinauszuweisen, im dialektischen Sinne ,aufzuheben‘, also zu bewahren gilt.“ Hinter den Grundkonsens von Humanismus sowie Grund- und Freiheitsrechten dürfe nie wieder zurückgefallen werden. „Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist das geistige Fundament des Grundgesetzes“, pflichtete LINKEN-Fraktionschef Rico Gebhardt bei.

Errungenschaften müssten verteidigt werden. Das Bundesverfassungsgericht trage – neben einer aktiven, couragierten Zivilgesellschaft – entscheidend zum Verfassungsschutz bei. Es setze Politikern Grenzen, die den Grundkonsens missachteten. Bartl verwies auf Innovationen – etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, 1983 im „Volkszählungsurteil“ geschaffen, oder das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das 2010 definiert worden ist.

Anders als Bundesverfassungsgericht trage das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz nichts zu seinem Auftrag bei, kritisierte hingegen Rico Gebhardt mit Blick auf dessen aktuellen Jahresbericht. „Dort hat man keine Probleme mit Veranstaltungen, wo ,Absaufen!‘ gerufen wird – als Ausdruck des Wunsches, die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer mögen ertrinken. Dagegen findet man den Ruf ,Nazis raus!‘ verdächtig.“

Es gehe darum, sich auf dem Boden des Grundgesetzes zu bewegen, nicht nur dort zu stehen, zitierte Gebhardt seinen Vor-Vorgänger Peter Porsch. Der Grundsatz in Artikel 3 „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ solle auch so verstanden werden, dass im Landtag mindestens so viele weibliche wie männliche Abgeordnete sitzen sollten.

„Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wussten genau, dass eine allzu große soziale Spaltung die Gesellschaft gefährdet“, fuhr Gebhardt fort. Die Verfassung lege keine Wirtschaftsordnung fest, sondern ermögliche eine demokratisch-sozialistische Entwicklung weg vom Kapitalismus. Klaus Bartl verwies dazu auf das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1, die Nutzung des Eigentums zum Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 2 und die Möglichkeit für Enteignungen gegen Entschädigung in Abs. 3. Nach Art. 15 dürfen Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel vergesellschaftet und in Gemeineigentum überführt werden.

Das Fazit der Linksfraktion: „70 Jahre Grundgesetz: Ein Grund zu feiern? Ja, selbstverständlich! Ein Grund zu kämpfen! Ja, auf jeden Fall!“