Koalition will bei Glyphosat-Einsatz nicht genauer hinsehen
Dresden. Die Fraktionen von LINKEN und GRÜNEN haben in einem gemeinsamen Antrag (Drs 6/2666) die Staatsregierung aufgefordert, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Anwendung von Glyphosat (und Clomazone) in Sachsen zu verringern. Die Auswirkungen des Einsatzes von Unkrautvernichtungsmitteln sollen besser überwacht werden. Zahlreiche Sachverständige hatten ebenfalls Handlungsbedarf gesehen und Vorschläge wie eine Pestizidabgabe unterstützt. Dennoch stimmte die Landtagsmehrheit aus CDU und SPD in der heutigen Sitzung des Umweltausschusses gegen den Antrag.
Dr. Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE: „Die Koalition will nicht, dass beim Glyphosat-Einsatz genauer hingeschaut wird. Sie nimmt in Kauf, dass das Vernichtungsmittel nach wie vor zu häufig und unkontrolliert gespritzt wird. Damit setzt sie die Gesundheit von Anwohnern und Konsumenten auf Spiel.“ Auf der Landesebene kann der Einsatz von Glyphosat nicht verboten, jedoch genauer kontrolliert werden, woher die verbreitete Glyphosatbelastung der Bevölkerung[1] kommt. Pinka: „Wir wollen, dass der Freistaat alles in seiner Macht Stehende tut, um befürchtete Gefahren aufzuklären. Das hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern mit der Verpflichtung des Staates, die Bevölkerung zu schützen. Heute hat sich gezeigt, dass die Regierungskoalition völlig unkritisch ist und den Untergang der heimischen Landwirtschaft an die Wand malt, sollte der Glyphosat-Einsatz eingeschränkt werden.“
In der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion „Umgang und Maßnahmen des Freistaates Sachsen in Zusammenhang mit den Auswirkungen des Vollherbizids Glyphosat“ (6/5244) führte Umwelt- und Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) aus, dass Verstöße gegen die o.g. Anwendungsbestimmungen beim Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel nur feststellbar seien, wenn eine Vor-Ort-Kontrolle zum Zeitpunkt der Anwendung stattfindet. „Dies dürfte die große Ausnahme sein. Plausibilitätsprüfungen, inwiefern beispielsweise die ausgebrachte Menge an Pflanzenschutzmitteln im Verhältnis zur Feldgröße steht, sind nicht vorgesehen“, kritisiert Dr. Gerd Lippold, stellvertretendes Mitglied der GRÜNEN-Fraktion im Umweltausschuss.
Auch in sächsischen Gewässern kann Glyphosat und dessen Abbauprodukt AMPA inzwischen nachgewiesen werden. Der GRÜNE-Landtagsabgeordnete Wolfram Günther ließ die Belastung von 17 ausgewählten Gewässern in Sachsen durch das Umweltinstitut Leipzig e.V. nach zwölf in der konventionellen Landwirtschaft häufig eingesetzten Pestiziden bzw. deren Abbauprodukten untersuchen. In zwölf der 17 Gewässer und damit besonders häufig wurde Glyphosat sowie dessen Abbauprodukt AMPA nachgewiesen.
LINKE und Grüne im Landtag lassen nicht locker: In einer Kleinen Anfrage will die Landtagsabgeordnete der LINKEN, Kathrin Kagelmann, unter anderem wissen, wie viele Verstöße gegen welche Anwendungsbestimmungen glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel seit 2014 bis heute festgestellt wurden, welche Konsequenzen dies jeweils für den Anwender hatte und inwiefern Plausibilitätsprüfungen mittlerweile durchgeführt werden.
>> Antrag der Fraktionen LINKE und GRÜNE „Einsatz von Pflanzenschutzmitteln insbesondere mit den Wirkstoffen Clomazone und Glyphosat stärker reglementieren und Auswirkungen weiter erforschen“ (Drs 6/2666):
>> Protokoll der öffentlichen Anhörung im Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss des Sächsischen Landtags vom 22.1.2016 zum Antrag (Drs 6/2666):
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=50110&dok_art=APr&leg_per=6&pos_dok=&dok_id=226134
>> Antrag der Fraktion GRÜNE „Umgang und Maßnahmen des Freistaates Sachsen in Zusammenhang mit den Auswirkungen des Vollherbizids Glyphosat“ (Drs 6/5244) mit Stellungname der Staatsregierung:
>> Hintergrundpapier des Landtagsabgeordneten Wolfram Günther (GRÜNE) „Pestizidscreening in ausgewählten Kleingewässern Sachsens“:
https://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/HP_Pestizid-Screening.pdf
>> Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kathrin Kagelmann „Verstöße bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Glyphosat)“ (Drs. 6/10492):
>> „Neue Anwendungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat" des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit:
Hintergrund:
Das Herbizid ist hoch umstritten: Während das Internationale Krebsforschungszentrum die Chemikalie als „wahrscheinlich“ krebserregend einstuft, hält die EU-Chemieagentur ECHA ein solches Risiko für „unwahrscheinlich“. Die Zulassung von Glyphosat steht insgesamt auf der Kippe. Ob das umstrittene Totalherbizid auch künftig auf europäischen Äckern gespritzt werden darf oder nicht, will die EU-Kommission nicht noch einmal alleine entscheiden: Ein Sondergremium beriet am 23. und 24.08.2017 in Brüssel über eine Verlängerung der Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat um zehn Jahre. Eine Abstimmung ist für September 2017 vorgesehen. In der EU wird seit Jahren über Glyphosat gestritten. Nach monatelangem Warten hatte die Kommission Ende Juni 2016 die Zulassung vorerst um anderthalb Jahre verlängert, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht einigen konnten. Diese Frist läuft Ende 2017 aus. Während Frankreich bereits angekündigt hat, sich gegen die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat zu stellen, drängt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) die EU-Kommission zur Verlängerung der Genehmigung.