Luise Neuhaus-Wartenberg: Wer Gedenkstättenarbeit kürzt, handelt so, als gäbe es kein Morgen zu schützen

Zur Aktuellen Debatte „Als gäbe es kein Gestern und kein Morgen – wer bei Gedenkstätten kürzt, gefährdet eine wachsame Demokratie.“ erklärt die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luise Neuhaus-Wartenberg:

„Wer Gedenkstättenarbeit kürzt, handelt so, als hätte es kein Gestern gegeben – und als gäbe es kein Morgen zu schützen. Unlängst gedachten wir der Befreiung vom Nationalsozialismus. Für viele war der 8. Mai der Tag der Rettung, für Nazis beginnt dort das Vergessen, Verdrängen, Verdrehen. Deshalb ist Gedenken kein Ritual, sondern Verpflichtung, vor allem gegenüber den Opfern. Es ist die Verpflichtung, die Demokratie zu schützen. Die Linke fordert eine verlässliche Finanzierung aller Gedenkstätten - nicht nur projektbezogen, sondern dauerhaft und als vollwertige Bildungsstellen. Erinnerungskultur ist Kernaufgabe. Gedenkstätten sind keine Museen der Trauer, sondern Werkstätten der Demokratie. Wir müssen sie schützen und ausbauen.

Doch die Staatsregierung kürzt ausgerechnet dort, wo Menschen für wache Erinnerung sorgen, wo sich insbesondere junge Leute mit Geschichte auseinandersetzen - und wo klar wird, wohin Rassismus, Antisemitismus, autoritäre Ideologie führen können. Bei Frankenberg entstand eines der ersten Konzentrationslager. Schon im März 1933 wurden dort Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten inhaftiert und gefoltert. Sachsenburg war jahrelang vergessen und soll jetzt zur ersten sächsischen KZ-Gedenkstätte werden. Allerdings sieht der Regierungsentwurf nicht vor, die nötigen Haushaltsmittel bereitzustellen, um diese Arbeit zu vollenden. Das wäre fatal!

Laut der Stiftung Sächsische Gedenkstätten reichen die geplanten Haushaltsmittel nicht einmal mehr aus, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Keine einzige Gedenkstätte hat genug Personal, um vollwertige Bildungsarbeit zu leisten. Wollen wir wirklich in einem Land leben, in dem das Erinnern von Projektgeld und Ehrenamt abhängt? In einer Zeit, in der die AfD gegen Erinnerungskultur hetzt, rechtsextreme Gruppen Gedenkveranstaltungen stören, jüdische Einrichtungen Polizeischutz brauchen – da dürfen wir nicht kürzen, sondern wir müssen ausbauen. Demokratie stirbt nicht plötzlich, sondern leise, wenn Orte des Erinnerns verblassen, wenn Bildungsangebote wegfallen.

Wenn wir über Gedenkstättenarbeit sprechen, dann dürfen wir nicht übersehen, wessen Geschichte bislang oft an den Rand gedrängt wurde. Die systematische Verfolgung und Ermordung von Menschen mit Behinderungen im Nationalsozialismus ist bis heute zu wenig bekannt. Allein zwischen 1940 und 1941 wurden rund 70.000 Menschen in Tötungsanstalten wie Pirna-Sonnenstein ermordet. Diese Opfergruppe wird in der öffentlichen Gedenkkultur bis heute zu wenig beachtet. Deshalb muss Erinnerung inklusiv werden - barrierefrei in der Gestaltung, vielfältig in der Perspektive und zugänglich für alle.“