Luise Neuhaus-Wartenberg: Wir haben die Zitterpartie beim Reformstaatsvertrag beendet – über die Konsequenzen wird zu sprechen sein
Die medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luise Neuhaus-Wartenberg, sagt zur heutigen Abstimmung im Sächsischen Landtag über den „Reformstaatsvertrag“:
„Der Vertrag enthält sinnvolle Punkte, darunter die stärkere Interaktion mit Nutzerinnen und Nutzern, gemeinsame Mediatheken und flexible Budgets für langfristige Projekte. Insgesamt sehen wir das Vertragswerk eher kritisch. Doch sein Scheitern wäre eine Steilvorlage für jene gewesen, die unabhängigen Journalismus als Feind betrachten und die öffentlich-rechtlichen Medien abschaffen wollen. Wir reihen uns nicht in die Blockadefront derjenigen Kräfte ein, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskreditieren und zerschlagen wollen. Wir haben uns in unserer Verantwortung für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk als zentraler Säule der Demokratie entschieden, dem Vertrag trotz unserer großen Bedenken doch zuzustimmen. So konnten die Demokratiefeinde nicht durchmarschieren. Die Zitterpartie, die wir damit beendet haben, hat die Minderheitskoalition verursacht. Über die Konsequenzen wird zu sprechen sein.
Inhaltliche Änderungen am Staatsvertrag, der über Jahre ausgehandelt worden ist, waren unmöglich. Nach dem Vorbild anderer Bundesländer hatten wir deshalb seit Wochen versucht, mit der CDU-Fraktion einen begleitenden Entschließungsantrag auszuhandeln. Wir stießen auf taube Ohren. Heute hat der Ministerpräsident interveniert und zugesagt, Staatsverträge künftig zu konsultieren und unsere Kritikpunkte in die bundesweite Debatte über die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzubringen. So hat er den Auftrag, den wir der Staatsregierung per Landtagsbeschluss erteilen wollten, angenommen. Wir werden ihn an seinen Taten messen.
Das betrifft vor allem den Kinderkanal, der als verlässliches, altersgerechtes Angebot erhalten bleiben muss – kuratiert im linearen Programm und nicht vom Algorithmus sortiert. Das betrifft aber auch das ,Verbot der Presseähnlichkeit‘, das entfallen muss. ARD, ZDF und Deutschlandradio müssen nach dem jetzigen Vertrag in ihren Online-Angeboten mit weniger Text, weniger Hintergrund, weniger Recherche auskommen. Online-Print-Medien und privatwirtschaftliche Fernsehanbieter dürfen derweil im Netz Texte, Videos, Podcasts und interaktive Grafiken kombinieren. Das ist ein Anachronismus.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist über acht Jahrzehnte gewachsen. Er hat sich stets angepasst – an den Übergang vom Hörfunk zum Fernsehen, ans Ende des öffentlich-rechtlichen Fernsehmonopols, an die deutsche Einheit und das digitale Zeitalter. Strukturen und Aufgaben müssen stetig überprüft werden. Das erfordert Mut, demokratische Kontrolle und klare Perspektiven. Die Anstalten verdienen redaktionelle Freiheit und wirtschaftliche Sicherheit. Die finanzielle Ausstattung muss schnellstens geklärt werden. Wir müssen kritische und vielfältige Berichterstattung absichern, mit regionalem Fokus und unabhängig von Konzerninteressen oder politischer Einflussnahme.“

