Ermittlungsverfahren gegen antirassistische Fußballfans eingestellt – Nagel: Erneut skandalöse Überwachung ohne Ergebnis

Wie das Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig aktuell bekannt gemacht hat, wurde kürzlich das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB) gegen mindestens 20 Menschen, die Ultra-Gruppierungen beim Verein BSG Chemie Leipzig zugerechnet werden, eingestellt. Das Verfahren, das von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden unter dem Aktenzeichen Az 370 Js 108/15 geführt wurde, lief vermutlich fast drei Jahre.

Schon 2016 war ein solches Verfahren nach drei Jahren eingestellt worden, das sich gegen 14 Personen gerichtet hatte – darunter auch einen Fansozialarbeiter des offiziellen Fanprojektes in Leipzig. Im Zuge der Aufarbeitung dieses Verfahrens kam zum Vorschein, dass auch zahlreiche Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwältinnen und -anwälte, Journalistinnen und Journalisten sowie Ärztinnen und Ärzte von den umfassenden Überwachungsmaßnahmen betroffen waren.

Die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel hat kürzlich eine Kleine Anfrage (Drucksache 6/13957) eingereicht, mit der sie die Dimensionen und Grundlagen des neuerlichen Ermittlungsverfahrens gegen linke Fußballfans in Erfahrung bringen will. Sie kommentiert:

„Es ist skandalös, wie lax die sächsischen Ermittlungsbehörden ein weiteres Mal den Tatvorwurf der Bildung krimineller Vereinigungen gebraucht haben. Dass nun scheinbar einer Ultra-Gruppierung unterstellt wurde, konzertiert Straftaten geplant und durchgeführt zu haben, stellt wiederum eine neue Qualität in Sachen Kriminalisierungswut des sächsischen Staates dar.

§ 129 Strafgesetzbuch ermächtigt die Behörden, weitreichende Überwachungsmaßnahmen (Telekommunikationsüberwachung, Observation, Erhebung von Verkehrsdaten, technische Ermittlung bei Mobilfunkendgeräten etc.) vorzunehmen und das auf einer – auch in diesem Fall – dünnen Indizienbasis. Deshalb wird der § 129 zu Recht als „Schnüffelparagraph“ bezeichnet. Es kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass es hier wie beim Vorgängerverfahren vor allem darum ging, Menschen und Strukturen auszuspionieren, die einer linken Szene zugerechnet werden. Getroffen hat es wiederum auch Teile der Fußballfanszene und zahlreiche Dritte, die nun per Schreiben über die Abhörmaßnahmen informiert werden.

Wie weit das Verfahren reichte, ist noch unklar. Klar ist nur, dass es im Sande verlief, auf Kosten der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Wir werden alles daran setzen, seine Dimension öffentlich zu machen. Die Staatsregierung und die Justiz müssen ihrer Aufsichtspflicht gegenüber den Behörden endlich nachkommen, damit solche Willkür nicht wieder vorkommt!“