Rico Gebhardt: Nichts schmälert die Schuld, die Putins Machtsystem mit seinem imperialen Angriffskrieg auf sich geladen hat

Zur Regierungserklärung „Freiheit und Frieden sind das höchste Gut – Unterstützung für die souveräne Ukraine“ erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Rico Gebhardt:

„Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Angriffskrieg, den Russland auf Befehl Putins führt. Unsere Solidarität gilt dem ukrainischen Volk, das unter diesem Irrsinn am meisten zu leiden hat. Es ist das Wesen eines jeden Krieges, Leben zu beenden, zu zerstören, Familien zu zerreißen, auf beiden Seiten der Front, unter Menschen in Zivil wie in Uniform. 1961 schrieb Jewtuschenko: ,Meinst du, die Russen wollen Krieg?‘ Ich bin sicher: Die Mehrzahl der Russen will diesen Krieg nicht. Aber Putin und sein Machtsystem wollen ihn. Schuldig ist, wer zuerst schießt. Kriegerische Handlungen erlaubt die UNO-Charta ausschließlich zu Verteidigungszwecken. Die russische Führung hat mit diesem Grundsatz gebrochen. Nichts schmälert die Schuld, die sie mit ihrem imperialen Angriffskrieg auf sich geladen hat.

Putin und seine Unterstützer sind Kriegsverbrecher, aber die Russen selbst sind es in der Mehrzahl nicht. Daher gibt es auch keine Entschuldigung dafür, dass russischstämmige Menschen hier bei uns angefeindet werden. Unser Respekt gilt allen, die sich den Angreifern widersetzen – ob mit der Waffe oder mit dem Protestplakat in der Hand, insbesondere in Russland selbst. Diese Menschen erleiden, was Diktatur bedeutet, anders als selbsternannte Montagsspaziergänger bei uns.

Damit all das aufhört, braucht es eine Entscheidung. Diese Entscheidung liegt bei Putin. Wir wünschen uns, dass die Menschen in der Ukraine standhalten. Sie haben das Recht auf Selbstverteidigung. Vor allem haben sie und nur sie das Recht, demokratisch über ihre Zukunft zu entscheiden.

Fehleinschätzungen muss man eingestehen, sonst kann man nicht daraus lernen. Viele Menschen in meiner Partei und auch ich selbst haben diesen Angriffskrieg nicht für möglich gehalten. Wir haben verkannt, dass es der russischen Führung vor allem um die Vergrößerung des russischen Reiches geht. Auch ich habe mich täuschen lassen, weil ich wollte, dass wir aus Fehlern der Geschichte lernen, nämlich, dass es eine Friedensordnung in Europa nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland geben kann. Europa braucht gute Beziehungen zu Russland, aber diese sind ausgeschlossen, solange Putin und sein Machtsystem alles in Russland kontrollieren.

Keiner der ernst zu nehmenden politischen Akteure hat gefordert, alle Beziehungen nach Russland komplett und endgültig abzubrechen. Der Ministerpräsident hat den Freistaat als Möchtegern-Außenminister blamiert, als er nur Tage nach dem Überfall vor diesem irrealen Szenario warnte und vor allem lautstark um die hiesige Energiesicherheit bangte. Erst recht spät hat er Putin klar als Schuldigen verurteilt. Das war nicht seine erste kommunikative Fehlleistung. Keine Fehlleistung vollbringen hingegen die vielen Menschen, die den geflüchteten Kriegsopfern helfen, Hilfsgüter ins Kriegsgebiet bringen oder Geflüchtete dort abholen. Man kann ihnen nicht genug danken.

Wir müssen Kriegsopfern helfen, egal vor welchem Krieg sie fliehen. Mit dieser Mammutaufgabe darf der Freistaat weder die ehrenamtlich Engagierten noch die Kommunen alleinlassen. Leider hat das staatliche Krisenmanagement noch immer großen Nachholbedarf. Wir haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, mit dem wir klare Fortschritte fordern (Drucksache 7/9468). Wohl die meisten Kriegsopfer wollen so schnell wie möglich wieder zurückkehren. Bis dahin müssen wir sie anständig behandeln und jene aufhalten, die eine neue rassistische Mobilisierung anstreben. Die Rechtsaußen-Fraktion hält nicht nur Putin die Treue, sondern sie hetzt schon wieder.

Widerspruch aus Sachsen wünsche ich mir auch gegen den Aufrüstungswahn, den die Bundesregierung uns zumutet. Keine Ahnung, wie das aktuell den Menschen in der Ukraine helfen soll? Die Bundeswehr wurde keineswegs kaputtgespart: Die Rüstungsausgaben steigen seit Jahren, ohne dass die Einsatzbereitschaft gewachsen wäre. Jetzt soll noch mehr Geld verpulvert werden, das anderswo fehlen wird – beim Sozialem, bei Bildung, Kultur, beim sozial gerechten Kampf gegen die Klimaerhitzung. Wir bezweifeln, dass wir Sicherheit gewinnen, indem wir noch viele Milliarden mehr in Waffensysteme versenken. Der einzige Profiteur wäre die Rüstungsindustrie.

Wir befürworten Sanktionen gegen Putin, die Oligarchie und die russische Rüstungsindustrie sowie weitere Maßnahmen, die Russlands Staatsspitze wirksam treffen. Diese Möglichkeiten sind längst nicht völlig ausgeschöpft. Putins Kapitalbasis ist größer als die reichsten Oligarchen – es gibt eine Vielzahl weiterer Profiteure seines Machtsystems. Wir müssen ihnen ihren Reichtum insbesondere im Westen nehmen. Ihr Portemonnaie wird ihnen letztlich wichtiger sein als das Großmachtstreben des Kremls. Das wäre allemal besser als die breite Bevölkerung unter Kriegsfolgen und Sanktionen leiden zu lassen, die sie schon jetzt aushalten muss. Sind solche Sanktionen unvermeidbar, müssen sie mit Entlastung begleitet werden, etwa von hohen Heiz- und Kraftstoffpreisen.

Wir müssen unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern endlich verringern, zumal diese oft aus autokratisch regierten Staaten kommen. Es ist keine Lösung, etwa beim Einkauf von Erdöl oder Erdgas anstelle der russischen künftig die saudischen Machthaber zu bereichern, die für den Krieg im Jemen verantwortlich sind. Wir müssen unsere Energieversorgung umso schneller und kraftvoller erneuerbar organisieren. Die CDU hat das in den letzten Jahren verhindert. Der Ministerpräsident ist auf dem Holzweg, wenn er sich weiter für den Vorrang der Braunkohleverstromung einsetzt. Die Devise heißt langfristig: Energieversorgung muss dezentralisiert werden, damit die Konzerne ihre Marktbeherrschung verlieren.“

Die komplette Rede gibt es hier.