NSU-Untersuchungsausschuss tagt letztmalig öffentlich / Köditz: Kein Schlussstrich, denn Rechtsterrorismus bleibt akute Gefahr
Zur letzten öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses erklärt die Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für antifaschistische Politik, Kerstin Köditz, die auch stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses ist:
Am kommenden Montag wird der NSU-Ausschuss „Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen“ mit seiner 39. Sitzung letztmalig öffentlich tagen. Danach ist die Beweisaufnahme abgeschlossen – dreieinhalb Jahre nach der Einsetzung des Gremiums. Bei der Sitzung wird ab 10 Uhr unter anderem Falko K. befragt, ein Zeuge des allerersten bekannten NSU-Raubüberfalls im Dezember 1998, auf den damals in Chemnitz gezielt geschossen worden war. Zudem wird ab 13 Uhr die Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, Nebenklageanwältin im Münchner NSU-Prozess, den Ausschuss über die bisherige juristische Aufarbeitung informieren.
Die Ausschussarbeit endet fast auf den Tag genau sieben Jahre nach der Enttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrundes“, der sich in Sachsen verborgen hielt. Im Mittelpunkt stehen für uns die Fehlstellen der Aufklärung des NSU-Skandals und die Perspektiven der Betroffenen. Vor diesem Hintergrund ist es schade, dass die Beweisaufnahme schon jetzt eingestellt wird: Einige zentrale Fragen werden unbeantwortet bleiben – zum Beispiel die, wie es gelang, nach dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe rasch die Spur zu ihrem Chemnitzer Versteck aufzunehmen, sie dann aber nicht zu verhaften. Theoretisch hätte es für den Ausschuss mehr zeitlichen Spielraum gegeben, praktisch liegen die Kräfteverhältnisse anders.
Nach der Montags-Sitzung wird der Ausschuss noch über die Abschlussberichte beraten, Ergebnisse sind nicht vor Frühjahr 2019 zu erwarten. Das liegt am umfangreichen Programm: Der Ausschuss befasste sich schwerpunktmäßig mit der anfänglichen Fahndung nach dem „Trio“, mit den Raubtaten des NSU in Chemnitz in Zwickau, mit den auch in Sachsen geführten Ermittlungen zur Česká-Mordserie, den Vorgängen ab dem 4. November in Zwickau und schließlich mit dem Umgang mit Akten. Beispielsweise liegen zu dem Überfall im Jahr 1998, um den es am Montag auch gehen wird, keine Ermittlungsakten mehr vor. Sie wurden einfach geschreddert.
Der Untersuchungsausschuss war auf Initiative der Fraktionen DIE LINKE und GRÜNE im April 2015 eingesetzt worden. Sein Auftrag knüpft an den Ausschuss der vorangegangenen Wahlperiode an, der sein Arbeitsprogramm nicht hatte beenden können. Der aktuelle Ausschuss hat inzwischen 67 Zeuginnen und Zeugen befragt, überwiegend Polizeibeamtinnen und -beamte. Der UA stützt sich zudem auf Beweismittel im Umfang von rund 1.600 Aktenbänden, die überwiegend auf Antrag der demokratischen Opposition beigezogen wurden.
Die Einvernahme von einem Dutzend ehemaliger und aktueller „Verfassungsschützer“ durfte zu unserem Bedauern nur unter Geheimhaltung stattfinden und unter den uns vorliegenden Dokumenten sind zahlreiche Verschlusssachen. Somit dürfen wir am Ende die Öffentlichkeit nicht über alles informieren, was relevant ist. Wir werden uns aber nicht davon abhalten lassen, ein ausführliches und kritisches Fazit ziehen, das der Tragweite des Themas angemessen ist. Klar ist auch: Der Abschluss des Ausschusses bedeutet für uns kein Ende der parlamentarischen Aufklärung – und für Sachsen keinen Schlussstrich unter das Thema. Die Ereignisse der jüngsten Zeit zeigen schließlich, dass der Rechtsterrorismus im Freistaat eine akute Gefahr bleibt.