Rico Gebhardt zur kritischen Riesa-Bilanz: Polizei räumt Fehler ein, die Ermittlungen dauern an

Sachsens Innenministerium zieht eine kritische Bilanz zu dem umstrittenen Polizeieinsatz anlässlich des Bundesparteitags der AfD am 11. Januar in Riesa. Anlass dafür ist die Große Anfrage der Fraktion Die Linke zu diesem Thema (Drucksache 8/1269), die insgesamt 161 Fragen enthält. Die ungewöhnlich detaillierten Antworten fassen das Geschehen erstmals in dieser Ausführlichkeit öffentlich zusammen. Dazu erklärt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Rico Gebhardt:

„Laut Ausführungen des zuständigen Innenministers Armin Schuster (CDU) hatte der Großeinsatz zum Ziel, ,die Ausübung der Grundrechte sowohl für die Delegierten des Bundesparteitags als auch für die Teilnehmer des Gegenprotests zu gewährleisten.‘ Dafür waren 3.800 Polizistinnen und Polizisten aus zwölf Bundesländern und dem Bund angefordert - und sie kamen hochgerüstet, inklusive Spezialeinsatzkommandos, Sprengstoffexperten sowie eines ,Drohnenabwehrtrupps‘. Zudem waren 19 sogenannte Super Recognizer (,Wiedererkenner’) aktiv.

Die Lage vor Ort wird als ,dynamisch’ beschrieben. Fakt ist: Die meisten der rund 20.000 Personen, die an Gegenprotesten teilnahmen, verteilten sich auf insgesamt 16 angemeldete Demonstrationen - und die entsprachen ,im Wesentlichen dem angezeigten Ablauf’. War im Vorfeld die Anreise von ,Linksextremisten bis zu einem unteren vierstelligen’ Bereich befürchtet worden, wurden ,ca. 100 gewalttätige Personen’ registriert. Gleichwohl wurden im Tagesverlauf auch 102 Straftaten erfasst, ermittelt wird gegen mehr als 1.400 Beteiligte. Die hohe Zahl ergibt sich aus einer Reihe von Landfriedensbrüchen, die wohl hauptsächlich von den insgesamt 30 Blockadeaktionen ausgingen. Rund ein Dutzend davon wurde abgedrängt oder geräumt, um Zufahrtwege zum Tagungsort der AfD freizuhalten.

Dabei lief nicht alles glatt, die Polizei räumt – was immer noch nicht selbstverständlich ist - auch eigene Fehler ein. So seien bei der Einsatzplanung bestimmte Szenarien ,nicht ausreichend bedacht’ worden, zudem hätten fehlende Ortskenntnisse von Einsatzkräften ,zu vereinzelten Missverständnissen’ geführt.

Ausführlich Stellung genommen wird zu einem Video, auf dem ein Polizist zu sehen ist, der einen Protestierenden mit Hilfe seines Diensthundes von der Straße drängt und dabei den Hund mit voller Wucht gegen die Person und gegen eine Leitplanke drückt. Wie es nun heißt, war es eine Entscheidung des Einsatzleiters, Beißkörbe abnehmen zu lassen, nachdem es ,zunehmenden Druck’ durch Protestierende sowie einen Durchbruchversuch gegeben habe – doch das konkrete Handeln ,lag in Eigenverantwortung des Diensthundeführers’. Gegen ihn wird wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, Sachbeschädigung und versuchter Körperverletzung im Amt ermittelt. Im Nachgang erreichten die offizielle Polizeibeschwerdestelle insgesamt 258 Eingaben allein zu diesem Vorfall.

Als verbesserungswürdig erachtet wird auch der ,Umgang mit parlamentarischen Beobachtern’. Am Rande einer Versammlung war der Linken-Abgeordnete Nam Duy Nguyen durch einen Polizisten unvermittelt niedergeschlagen worden. Zu den vorangegangenen Geschehnissen heißt es, dass Polizeikräfte durch Demonstrierende umschlossen gewesen seien. Um sich zu befreien und anschließend einen Festnahmeversuch umzusetzen, sei ,einfache körperliche Gewalt’ angewandt worden, wovon ,auch ein Abgeordneter des sächsischen Landtages betroffen’ war. Verdacht seither: Körperverletzung im Amt. Details zum Verfahrensstand werden nicht genannt, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Das Innenministerium bestreitet auf unsere Nachfrage allerdings nicht, dass es sich um einen Fall übermäßiger Polizeigewalt handelte. Unserem Kollegen wurde und wird keinerlei Fehlverhalten zur Last gelegt.

Als bedenklich erachten wir, dass ungehinderte journalistische Arbeit in Riesa nicht überall möglich war. Zwar sei Medien ,grundsätzlich ein freier Zugang in alle Bereiche des Einsatzraums’ gewährt worden. Doch davon ausdrücklich ausgenommen war das Umfeld der AfD-Tagungsstätte: In dem Bereich um die WT-Arena ,erhielten nur akkreditierte Medienvertreter Zugang.‘ Mit anderen Worten konnte im Zweifel die unter anderem in Sachsen als erwiesen rechtsextremistisch eingestuften Partei selbst bestimmen, wer berichten darf und wer nicht. Das ist mit der Pressefreiheit unvereinbar.“