Stefan Hartmann: Chipkrise beschleunigt die Automobil-Krise - Deutschland muss industriepolitisch handlungsfähig werden!

Zur Aktuellen Debatte „VW- und Chipkrise: Sachsens Weg für die Zukunft der Auto-(Industrie)“ sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Stefan Hartmann:

„In der sächsischen Automobil- und Zulieferindustrie sind die Jobs von 100.000 Menschen in Gefahr. Ganze Regionen sind vom industriellen Kahlschlag bedroht. Die Chipkrise wirkt wie ein Brandbeschleuniger: Nexperia, ein niederländischer Chipzulieferer unter chinesischer Kontrolle, wurde von der niederländischen Regierung übernommen. China stoppte daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Chips für die Autoindustrie. Jetzt drohen Produktionsstopps. VW konnte dank Notbeständen und Ersatzlieferanten kurzfristig reagieren, aber das ist keine dauerhafte Lösung. Wir müssen weniger abhängig von globalen Lieferketten werden! Der Verlust gut bezahlter Industriejobs ist auch ein Nährboden für Demokratiefeindlichkeit.

Diese Krise ist das Ergebnis verfehlter Industriepolitik. Die meisten sächsischen Autozulieferer sind Betriebe mit rund 50 Beschäftigten. Sie haben weder das Eigenkapital noch den Zugang zu Fremdkapital, um den Umstieg auf zukunftsfähige Geschäftsfelder alleine zu stemmen. Deutschland als weltweit drittgrößte Volkswirtschaft muss industrie- und wirtschaftspolitisch genauso handlungsfähig sein wie China oder die USA!

Nötig ist erstens ein Wirtschaftsförderungsprogramm mit Beschäftigungs- und Weiterbildungsgarantie. Öffentliches Geld darf nur an Unternehmen fließen, die nach Tarif zahlen und einen Betriebsrat haben. Wir fordern zweitens eine ,Zukunftsstiftung Zulieferer Automobil Sachsen‘, finanziert durch Konzerne wie VW und BMW. Diese Unternehmen machen hier Profit – sie müssen auch Verantwortung übernehmen. Die Stiftung soll kleine und mittlere Zulieferer unterstützen. Drittens wollen wir mehr Forschung und Entwicklung nach Sachsen holen, gerade im Bereich Halbleiter und Mikroelektronik. Unternehmen mit Sitz außerhalb des Freistaats sollen verpflichtet werden, Forschung und Entwicklung für hier hergestellte Produkte hier durchzuführen. Das schafft hochqualifizierte, gut bezahlte Jobs, die nicht so schnell verlagert werden. Viertens schlagen wir vor, Zukunftsfelder zu fördern - Batterieproduktion, Leichtbau, neue Fügetechniken, Kooperation mit der Halbleiter- und Mikroelektronikindustrie. Sachsen kann zur Modellregion werden auch für eine eigenständigere Chipproduktion. Akut gefährdete Unternehmen brauchen fünftens Hilfe bei Diversifizierung, Markt-Scouting, bei der Analyse ihrer Stärken.

Der Ministerpräsident fordert niedrigere Strompreise. Das ist richtig, aber bei weitem nicht genug. Nötig ist eine umfassende Industriestrategie, die auf grüne Transformation, regionale Wertschöpfung und mehr Eigenständigkeit in Schlüsseltechnologien setzt.“