„Gesetz zum Schutz eines nachhaltigen Baumbestandes im Freistaat Sachsen (Sächsisches Baumschutzgesetz)“
Rede von MdL Kathrin Kagelmann während der Zweiten Beratung des Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drs 6/2804
088. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 13.03.2019
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
für mich wird Politik immer dann am peinlichsten, wenn sie ihr Versagen am Anspruch, beständig um einen gesellschaftlichen Interessenausgleich zum Vorteil der Gemeinschaft zu ringen, so dilettantisch bemäntelt, dass die Klientelbevorteilung an jeder Stelle hervorlugt.
Das Baum-ab-Gesetz ist ein Paradebeispiel für solch peinliche Klientelpolitik.
Allein steht Sachsen damit allerdings nicht da. Deutschland ist ja ein Land, in dem die „Freie Fahrt für freie Bürger“ zum Quasi-Menschenrecht erhoben wurde. Da verwundert dann auch nicht mehr, dass ein solcher Grundwertekanon um die „Freie Säge“ erweitert werden musste.
Besonders entlarvend und beschämend für die Schwarz-gelbe Regierungsära ist aber die Tatsache, dass dieses Gesetz ausgerechnet im UN-Jahr der Biodiversität 2010 eingeführt wurde.
Ich kann mich noch lebhaft erinnern an zahlreiche Veranstaltungen landauf landab, wo eine engagierte Bürgerschaft Monate vor dem Gesetzesvorhaben Sturm dagegen gelaufen ist. Erfolglos – war ja kurz nach, nicht kurz vor Wahlen. Bis heute – 8 Jahre später - erreichen den Petitionsausschuss regelmäßig Eingaben zur Rückholung dieses Irrsinns, darunter eine Massenpetition mit mehreren Tausend Unterschriften.
In allen Anhörungen zur Thematik - sowohl bei der Änderung des Naturschutzgesetzes 2010 als auch in jeder der nachfolgenden Heilungsversuche auch der LINKEN – kann man sehr gut nachlesen, dass bei der Vielzahl der Sachverständigen immer die gleichen meinen, zu profitieren, während unverändert die große Mehrheit ausführt, dass Gesellschaft verliert.
Wie Gesellschaft verliert, belegte ein Sachverständiger im Rahmen der Anhörung zu dem grünen Gesetzentwurf mit einem eindrucksvollen Baum-weg-Bilderreigen aus der Landeshauptstand und er kommentierte resigniert: „Viele Grundstücke sind grün. Sie sind nicht wegen der Bäume sondern wegen des Rasens grün, dann ist Schluss.“
Damit das allerdings nicht gar zu stark auffällt, wurde weiland von den freiheitlich-demokratischen Vätern der Gesetzesänderung immer wieder die Keule des Bürokratieabbaus für BürgerInnen und Kommunen geschwungen. Paragrafenpranger und Eierschecke an der Autobahn – das waren überhaupt die einzigen zwei PR-Projekte aus FDP-Regierungszeiten, die mir in Erinnerung geblieben sind - wobei der Paragrafenpranger schließlich versandete und die Eierschecke-Aktion nur einem einzigen Bäcker temporär geholfen haben dürfte.
Es ging aber beim Baum-ab-Gesetz nur ganz am Rande um Entbürokratisierung, es ging und geht im Kern um die Stärkung von Eigentümerrechten – und zwar konkret über die Begrenzung des Geltungsbereichs von Baumschutzsatzungen auf privatem Grund.
Nun lehrt allerdings die Erfahrung, dass das hehre Ziel von Entbürokratisierung in der Umsetzung allzu häufig beerdigt wird mit einer simplen Umverteilung von Lasten. Und meistens führt diese Umverteilung auch noch zu neuen rechtlichen Unsicherheiten. Stichwort: Geschützte Baumarten.
Eigentum aber unterliegt ebenso einer Gemeinwohlverpflichtung, was bedeutet, dass die Stärkung der Rechte von in diesem Fall Grundstückseigentümern abgewogen werden müssen mit den Rechten der Gemeinschaft auf saubere, frische Luft, auf ein gesundes Stadtklima, auf ein grünes Orts- und Landschaftsbild oder auf Artenvielfalt.
Gerade das letzte Ziel gewinnt rasant an öffentlicher Aufmerksamkeit – ich verweise nur auf das millionenschwere Volksbegehren in Bayern. Ich würde an Ihrer Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, deshalb zweimal überlegen, welche Interessen in der heutigen Zeit schwerer wiegen.
Ohnehin war und ist es absurd, eine Kommune von einer Last befreien zu wollen, die sie sich – wenn überhaupt – nur selbst auferlegt hat. Vor dem Erlass hat nämlich jede Gemeinde eigenverantwortlich geprüft, ob überhaupt und in welchem Umfang eine Baumschutzsatzung erforderlich ist und damit auch, ob der ggf. einhergehende Aufwand für die Gemeinde stemmbar ist. Zeitgleich wurden die Kommunen aber per Gesetz befreit von ihrem Recht, für ihren Aufwand Verwaltungsgebühren erheben zu können. Das war eben kein kleiner Eingriff mehr in kommunale Selbstverwaltung, das war eher eine umweltfachliche Teil-Resektion – oder schlicht Erpressung.
Dass viele Kommunen trotz des angeblich so immensen Verwaltungsaufwandes eine Baumschutzsatzung erlassen hatten und auch Jahre nach ihrer angeblichen Entlastung von Verwaltungsaufgaben immer noch die wichtige Funktion von Baumschutzsatzungen betonen, spricht doch eine eindeutige Sprache.
Das ist nur logisch, denn gerade in den städtebaulichen Verdichtungsräumen wächst angesichts der anhaltenden Baukonjunktur die Bedeutung von kommunalem Großgrün.
Was aber machen die Kommunen heute, wenn ihnen der Überblick verloren zu gehen droht, weil deutlich weniger Anträge oder Anzeigen auf Baumfällungen eingehen? Es gibt die Kommunen, die ganz aufgegeben haben, weil eine halbe Satzung eben keine volle Schutzwirkung mehr entfalten kann.
Und dann gibt es diejenigen, die sich ihrer Verantwortung weiter stellen: Die unteren Naturschutzbehörden dort können verstärkt kontrollieren, sie können ihre Beratungstätigkeit erweitern, sie können einzelne Bäume als Naturdenkmal schützen, sie können ihre Bebauungspläne naturschutzfachlich überarbeiten oder öffentliche Baumkataster anlegen. Alles Stückwerk – aber Kommunen, die ihren Einfluss auf die grüne Entwicklung ihrer Stadt behalten wollen, werden dies tun müssen.
Der Verwaltungsaufwand für diese alternativen Baumschutzanstrengungen dürfte mindestens genauso hoch, eher noch höher sein, dazu aber deutlich weniger verbindlich bleiben und die Kosten – ggf. auch für verstärkte Nachpflanzungen – tragen sie allein.
Der schwarz-gelbe Geniestreich aber war die Genehmigungsfiktion von 3 Wochen:
In der Praxis – so die Sachverständigen in der Anhörung - bedeutet das eine effektive Prüfzeit von lediglich 9 – 12 Arbeitstagen für ein rechtssicheres Urteil über alle Fragen vom Arten- und Biotopschutz bis hin zur Stand- und Verkehrssicherheit. In Niesky wäre das noch machbar, in Dresden ist das „der Oberhammer“ – nicht meine Wortwahl, sondern die eines Sachverständigen.
Sehr geehrte Damen und Herren der Koalition,
es ist nicht leicht, sich zu korrigieren. Aber es ist vernünftig und kann so befreiend sein. Auf der Grundlage des Gesetzentwurfes der Fraktion Bündnis 90/Grüne haben sie nun wieder eine weitere Chance!
Meine Kollegin Frau Dr. Pinka hatte Ihnen in ihrer Erwiderung zur Gesetzesverabschiedung im Jahr 2010 ein sehr schönes Zitat des Philosophen Carl-Friedrich von Weizsäcker zum Nachdenken mitgegeben, das ich – weil es so passend ist - gern wiederholen möchte: „Verstand dient der Wahrnehmung der eigenen Interessen. Vernunft ist Wahrnehmung des Gesamtinteresses.“
Diesem Gesamtinteresse hat Politik zu dienen – seien sie also vernünftig.
Die Linke ist es – wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.