Gebhardt / Bartl: Staatsregierung muss endlich Rentengerechtigkeit für ehemalige (Volks)Polizisten in Sachsen herstellen

 

Heute entschied der 5. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts über weitere Fälle, in denen frühere Angehörige der Deutschen Volkspolizei um die Anerkennung ihres zur Dienstzeit gezahlten Bekleidungs- und Verpflegungsgeldes bei der Rentenberechnung streiten. Die LINKEN-Abgeordneten Rico Gebhardt und Klaus Bartl haben drei Kläger begleitet. Die Linksfraktion streitet seit längerem dafür, dass die Ansprüche der Betroffenen auch in Sachsen anerkannt werden. Dazu erklärt Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion:

Ich bin immer noch baff: Die Vorsitzende Richterin – die aus Westdeutschland stammt – hält das Bekleidungs- und Verpflegungsgeld nicht für ruhegehaltsfähig. Begründung: Es habe 1960 eine Vorlage des Ministerrats an das „ZK der DDR“ (gemeint wohl: ZK der SED) gegeben, mit diesen Zahlungen für eine feste Bindung der Beschäftigten an den Staat zu sorgen. Die Haltung, dass die Entscheidung zwischen Flucht in den Westen und Verbleib im Dienst von ein paar Mark Sold mehr oder weniger abhänge, war damals schon absurd. Umso erstaunter bin ich, dass ein bundesdeutsches Gericht sie im Jahre 2019 als entscheidungsleitend ansieht.

Dutzende Landessozialgerichte sowie der 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts sehen die Sache anders (Az.: L 4 RS 226/16 ZVW; L 4 RS 232/15 ZVW).

Einer der Betroffenen erhält nun nach jahrelanger Polizeiarbeit keine Anrechnung des Bekleidungs- und Verpflegungsgeldes, seine Ehefrau schon – weil sie das Glück hatte, beim 4. Senat zu landen. Solche Absurditäten entstehen, weil sich Verantwortliche wie Innenminister Wöller dahinter verschanzen, den Rechtsweg bis zum Erbrechen auszureizen. Diese sächsischen Sonderwege sorgen für Frust! Denn die Mehrheit der Gerichte sieht es als gerechtfertigt an, ehemaligen Volkspolizistinnen und Volkspolizisten – von denen viele auch nach 1990 im Dienst waren oder sind – Ruhegehalt auch für das Bekleidungs- und Verpflegungsgeld zu zahlen. Es wäre eine vernünftige politische Entscheidung, wenn auch Sachsen diesen Ausgleich endlich gewähren würde. In der DDR hatten die Angehörigen der Volkspolizei nur einen Arbeitgeber, heute wird nach Wohnort geurteilt – das ist absurd und trägt nicht zum sozialen Frieden bei.

Klaus Bartl, Sprecher für Verfassungs- und Rechtspolitik, fügt hinzu:

Wir sind gespannt auf die schriftliche Urteilsbegründung. Sollte das Gericht die abenteuerliche Argumentation wiederholen, die es heute mündlich geäußert hat, hätten wir es mit dem abstrusen Fall zu tun, dass ein Senat eines Landessozialgerichts seine Rechtsansicht aus einer Vorlage ans ZK der SED bezieht. Das ist gemessen an rechtsstaatlichen Maßstäben hoch problematisch. Wir vertrauen darauf, dass der Rechtsstaat das am Ende zu korrigieren vermag, und stehen weiter an der Seite der Kläger.