Es reicht, Herr Kretschmer: Entlassen Sie Innenminister Wöller!

Am Samstag ist in Leipzig passiert, was bei vernünftiger Betrachtung von allen zu erwarten war.

Die Infektionsschutz-Gegner haben sich genau so aufgeführt, wie es von einem Bündnis aus Einfältigen und Egoisten zu erwarten ist. Diesen verantwortungslosen Demagogen haben sich zahlreiche Neonazis, Hooligans und weitere Gewalttäter angeschlossen.

Dennoch hatte die Polizei die Situation nicht ansatzweise im Griff. Dabei hat der Staat schon bei der Versammlung tausender Infektionsschutzgegner auf engstem Raum am 31. Oktober in Dresden gekuscht – gelernt hat man aber offensichtlich nichts. Wieder fehlten offenbar eine realistische Gefahrenanalyse und ein praktikables Einsatzkonzept. Die Versammlung war mitnichten „friedlich“! Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber die körperliche Unversehrtheit unbeteiligter Bürgerinnen und Bürger sowie eingesetzter Beamtinnen und Beamten ist es ebenso, genau wie die Pressefreiheit. Sie war in Leipzig nicht gewährleistet, Journalistinnen und Journalisten wurden wiederholt angegriffen.

„Wir wollen rechtsextreme Netzwerke konsequent zerschlagen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch in Leipzig hat der Staat vor ihnen gekuscht. Die Entscheidung, die Versammlung vorzeitig aufzulösen, kam zu spät. Für alles, was danach geschehen ist, hätte vorgesorgt sein können – und müssen, da die einschlägigen Aufrufe in ihrer Umsturz-Rhetorik kaum zu übertreffen waren. Eine tatsächliche Auflösung erfolgte nicht, stattdessen musste sich die Polizei überrennen lassen. Ein brauner Mob erzwang den ausdrücklich verbotenen Demonstrationszug. Der Schaden ist riesig. Alle diejenigen, die ihre Mitmenschen zur Missachtung der Hygieneregeln anstacheln wollen und auch vor körperlichen Angriffen nicht zurückschrecken, fühlen sich ermutigt.

Allein das Stattfinden solcher potentieller Superspreader-Demos ist ein Angriff auf die Gesundheit aller – da kann die Reaktion nicht lauten: Wir müssen eben hinnehmen, dass das staatliche Gewaltmonopol zeitweilig nicht mehr gilt. Konsequenzen sind unausweichlich! Die politische Verantwortung für dieses Desaster trägt der umstrittene Innenminister Roland Wöller. Es handelt sich um Staatsversagen.

Schon wieder ist Wöller vor allem damit beschäftigt, die Schuld auf andere zu schieben. Das war schon beim „Fahrradgate“ und den Auseinandersetzungen um das Landesamt für Verfassungsschutz so. Diesmal hat sein andauerndes Führungsversagen letzten Endes eine massenhafte Gesundheitsgefährdung ermöglicht. Es reicht jetzt. Der Ministerpräsident führt verantwortlich die Regierung – er muss den Innenminister unverzüglich aus dem Amtsverhältnis entlassen.

Wir hegen natürlich nicht die Illusion, dass die Strukturprobleme in Sachsens Sicherheitsbehörden durch einen Ministertausch zu lösen sind. Dieser muss trotzdem erfolgen und die Aufklärung umfassend ausfallen. Wir fordern rückhaltlose Offenheit zu den staatlich geduldeten Corona-Partys in Dresden und Leipzig hinsichtlich der Einsatzkonzepte, des Einsatzverlaufs, der behördlich oder gerichtlich festgesetzten Auflagen und deren Durchsetzung sowie zu Ermittlungen und Ergebnissen.

Es gibt viele legitime Gründe, um zu demonstrieren – beispielsweise für eine Corona-Vermögensabgabe, die für eine gerechte Verteilung der Krisenlasten sorgt. Wer aber die Pandemie durch eigenes Fehlverhalten anheizt und andere dazu aufstachelt, macht sich mitschuldig an einem möglichen Notstand der Gesundheitsversorgung. Die Phalanx aus Neonazis, rechten Verschwörungsideologen und rechten Esoterikern, die für den gestrigen Aufmarsch verantwortlich ist, gefährdet Gesundheit und Demokratie gleichermaßen.

In Kürze finden Ausschuss-Sondersitzungen dazu statt. Als Grundlage hat die Linksfraktion einen Antrag vorgelegt, mit dem sie umfassende Aufklärung fordern.