Keine Utopie, sondern konkretes Ziel: Gute Gesundheitsversorgung für alle Menschen in ganz Sachsen

Am besten wäre eine Welt, in der alle Krankenhäuser und Arztpraxen leer bleiben, in der kein Rettungswagen ausrücken muss. Doch diese Welt gibt es nicht: Gesundheitsversorgung muss rund um die Uhr für alle Bevölkerungsgruppen vorgehalten werden, auch wenn das teuer ist. Wie gelingt das in Sachsen?

Wer medizinische Hilfe braucht, muss sie zügig bekommen, ohne weite Wege auf sich zu nehmen. Wie wäre es, diesen Zustand in den kommenden Jahren zu erreichen, besser: zu erstreiten? Das sollte auf der Prioritätenliste weit oben stehen! Bisher reißt die Liste der Hiobsbotschaften nicht ab: Zur Jahresmitte fehlten in Sachsen fast 500 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, darunter 430 für Allgemeinmedizin. Sechs der 48 Planungsbereiche sind unterversorgt: Torgau, Weißwasser, Frankenberg, Reichenbach und Werdau. In 27 weiteren Gebieten droht Unterversorgung, darunter in Freital und Eilenburg, im Vogtland, im Erzgebirge und in der Lausitz. Zu diesem Problem gesellte sich seit den letzten Monaten die Sorge: Wird vielleicht auch das Krankenhaus in meiner Region geschlossen, wie es zuletzt der Paracelsus-Klinik in Reichenbach/Vogtland widerfahren ist?

Görlitz, Grimma, Erlabrunn, Muldental, Leipzig, Dresden, Torgau, Riesa, Olbernhau, Görlitz, Weißwasser, Hoyerswerda: Die Liste der Orte, an denen einzelne Kliniken oder gar ganze Krankenhausstandorte zur Disposition stehen, wächst. Geht es um Kinderkliniken oder Geburtenstationen, wie in Grimma oder Erlabrunn, sind viele Menschen umso stärker alarmiert. Noch weiß niemand, welche Folgen die „Krankenhausreform“ der Bundesregierung hat. Klar ist jedoch: Die Finanzlage der allermeisten Krankenhäuser in Sachsen ist dramatisch, der Mangel an Arztpraxen ebenso.

Gesundheitsversorgung ist eine Frage der Gerechtigkeit!

Die Bürgerinnen und Bürger beanspruchen zu Recht, dass sie gut versorgt werden – ob in der Arztpraxis, in der Poliklinik oder im Krankenhaus. Sie bezahlen das ja mit ihren Beiträgen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit! Weil vielerorts Arztpraxen fehlen, werden die Krankenhäuser umso wichtiger. Deren Strukturen sind in Sachsen seit 1990 jedoch bereits mit aller Härte ausgedünnt worden – von einstmals 125 Krankenhäusern sind nicht einmal 80 Standorte übrig. Verglichen mit anderen Bundesländern sind die Kapazitäten schon auf ein Niveau gesunken, das nicht unterschritten werden kann. Legt man die Bevölkerungsdichte westdeutscher Bundesländer zugrunde, müssten laut der Krankenhausgesellschaft Sachsen 96 Kliniken existieren.

Steigende Kosten in vielen Bereichen sind eine Belastung für die Krankenhäuser. Besonders die kommunalen und konfessionellen Träger haben es schwer, weil sie nicht so wie Universitätskliniken vom Land oder private Kliniken von großen Konzernen Unterstützung bekommen. Das Finanzierungssystem muss überdacht werden: Krankenhäuser sollen ihre Kosten decken, gute Arbeitsbedingungen bieten und bestmöglich behandeln. Die Forderung, Gewinne zu erwirtschaften, ist fehl am Platz. Gewinne fließen ab und können nicht genutzt werden, um die Versorgung zu verbessern. Es ist ein Fehler, Krankenhäuser in einen wirtschaftlichen Wettbewerb zu zwingen – so müssen sie Profit machen und sind im Falle des Misserfolgs insolvenzgefährdet. Über medizinische Maßnahmen muss frei von betriebswirtschaftlichem Kalkül entschieden werden!

Krankenhaus-Finanzierung umkrempeln!

Derzeit wird den Krankenhäusern nicht vergütet, dass sie Leistungen vorhalten, sondern dass sie Leistungen tatsächlich erbringen. Ein solches System zwingt die Krankenhäuser zur Rosinenpickerei: Weil bestimmte Behandlungen besser bezahlt werden als andere, ist es lukrativ, manche Fallgruppen zu bevorzugen. Die Linksfraktion fordert stattdessen krankenhausindividuelle Budgets, die jährlich mit den Kostenträgern verhandelt werden. Ziel soll es sein, die Versorgungsziele zu erreichen – bei effizienter Betriebsführung, aber ohne Profite. Während die Krankenkassen sowie die Patientinnen und Patienten für die Betriebskosten aufkommen, steht der Freistaat zudem in der gesetzlichen Verantwortung, die Krankenhaus-Investitionen zu finanzieren. Mit dem aktuellen Doppelhaushalt stellt das Land allerdings erneut weniger Geld bereit als die Krankenhäuser benötigen. Käme die Regierungskoalition stattdessen ihrer gesetzlichen Pflicht nach, trüge das zur Entspannung bei.

Solange die Krankenhausleitungen gezwungen sind, möglichst viele möglichst schwere „Fälle“ mit möglichst wenig Personal zu bearbeiten, ist eine Personalbemessung in allen Bereichen notwendig. Die Beschäftigten brauchen dringend Entlastung. Die Voraussetzung dafür sind verbindliche und bedarfsgerechte gesetzliche Personalvorgaben für alle Berufsgruppen. Krankenhäuser sind in öffentlicher Hand gut aufgehoben. Wo nötig, wollen wir Privatisierungen rückgängig machen. Gewinnausschüttungen oder Eigenkapitalverzinsungen aus Krankenhäusern wollen wir verbieten. Ein Bundesfonds soll Länder und Kommunen dabei unterstützen, Krankenhäuser zu rekommunalisieren. Der Freistaat Sachsen muss dafür ein Sondervermögen von mindestens 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Teil der Lösung: Ganztags-Polikliniken

Sachsen darf keine weiteren Krankenhausstandorte einbüßen. Es ist freilich sinnvoll, Spezialbehandlungen an bestimmten Standorten zu konzentrieren, weil das Personal dann über einen größeren Erfahrungsschatz verfügt. Allerdings muss das Netz für ambulante Behandlungen und die Notfallversorgung erhalten bleiben. Ein guter Mittelweg, mit dem Ostdeutschland gute Erfahrungen gemacht hat, sind „Medizinische Versorgungszentren“ – oder Polikliniken, wie sie früher hießen. Sie können den Mangel lindern, indem sie ambulante mit stationären Angeboten verbinden, ärztliche Expertise bündeln und die Diagnostik erleichtern. Künftig sollte es auch Ganztags-Polikliniken geben: Sie wären rund um die Uhr erreichbar und würden eine Notaufnahme samt Notfallambulanz mit Chirurgie und Innerer Medizin sowie bestenfalls weitere Fachbereiche mit ausreichender Bettenzahl vorhalten. Es ist möglich, Krankenhäuser zu erhalten, indem man sie umstrukturiert und für die ambulante Versorgung öffnet, deren Bedeutung ohnehin immer weiter zunimmt.

Warum fehlen so viele Arztpraxen?

Warum sind so viele Hausarztstellen in Sachsen unbesetzt? Warum ziehen viele Medizinerinnen und Mediziner eine Festanstellung der Chance vor, sich mit einer Praxis selbstständig zu machen? Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte müssen nicht nur den finanziellen Aufwand stemmen, eine Praxis zu kaufen oder auszustatten – dafür gibt es allerdings Förderprogramme. Vor allem agieren sie neben ihrer eigentlichen Tätigkeit auch als Arbeitgeber, mit allen bürokratischen Erfordernissen, die das mit sich bringt. Entlastung ist ebenso nötig wie eine zeitgemäße Gebührenordnung, die es auch erlaubt, das Praxispersonal angemessen zu entlohnen.

Aber fehlt nicht für all dies immer noch das Personal? Zwar konnte die Zahl der Studierenden im Bereich der Allgemeinmedizin durch verschiedene Maßnahmen schon gesteigert werden. Die „Landarztquote“ sehen wir aber skeptisch, weil nicht klar ist, wann sie wirkt und wie viele Absolventinnen und Absolventen am Ende doch einen anderen Weg einschlagen als sich in Mangelregionen niederzulassen. Vielmehr muss die Zahl der Studienplätze erhöht und geprüft werden, welche Aufgaben auch ohne Facharztabschluss übernommen werden können.

Keine Versorgung nach Kassenlage!

Die Gesundheitsversorgung sollte sich nicht an der Kassenlage orientieren. Der Staat muss als notwendig erkannten Strukturen ausreichend bezahlen. Dazu gehört eine Übergangsfinanzierung für die Krankenhausreform. Nicht nur für die nahe Zukunft, sondern für immer braucht das Gesundheitswesen genug Geld: Dazu muss System der privaten und Krankenversicherungen vereinheitlicht, vereinfacht und gerechter gemacht werden: Eine Kasse für alle! Wer im Beruf oder am Finanzmarkt ein hohes Einkommen erzielt, soll auch angemessene Beiträge in das Solidarsystem entrichten. Bisher befreit die „Beitragsbemessungsgrenze“ alle Monatseinkommen über 4.987,50 Euro brutto von der Beitragspflicht. Wenn alle nach ihrer Leistungsfähigkeit beitrügen, könnte bei der gesundheitlichen Versorgung so früh wie nötig angesetzt werden – bei stärkerer Prävention und breiterer Forschung.


Positionspapier mit sechs Haltelinien für Sachsens Krankenhäuser