Bartl: Veröffentlichung des Haftbefehls Fortsetzung von Selbstjustiz – Sondersitzung Rechtsausschuss beantragt

Zu der Veröffentlichung des Haftbefehls gegen einen der Beschuldigten irakischer Staatsangehörigkeit, der an einem in der Nacht vom Samstag zu Sonntag begangenen Tötungsdelikt in Chemnitz beteiligt gewesen sein soll, erklärt der verfassungs- und rechtspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Sächsischen Landtag und Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses, Klaus Bartl:

Dass so kurze Zeit nach dem Erlass durch das Amtsgericht Chemnitz der Haftbefehl in einem derart brisanten Verfahren mit allen Klardaten ins Internet gestellt wird, erfüllt nicht nur den Tatbestand § 353d StGB der „Verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“, sondern ist auch eine neue Eskalationsstufe im Schüren pogromartiger Stimmung gegenüber Migrantinnen und Migranten unter skrupelloser Ausnutzung des tragischen Todes eines jungen Mannes.

Es handelt sich um Dokumente, die aus gutem Grund vertraulich sind, weil aus ihnen, neben Details der schrecklichen Tat, auch der Name und die Anschrift des Verdächtigen hervor geht. Niemand weiß, in welchen familiären Verhältnissen dieser lebt. Damit riskiert derjenigen, der dieses Dokument öffentlich macht, in der derzeit aufgeheizten Situation bewusst, oder zumindest billigend in Kauf nehmend, schwere Angriffe auf die Gesundheit und das Leben völlig unbeteiligter Dritter. Das ist die latente Fortsetzung der Vorverurteilung und Selbstjustiz, die in Chemnitz in den vergangenen Tagen eskaliert sind.

Dass der Haftbefehl, lediglich teilweise geschwärzt, auf Internetseiten von Pro Chemnitz, einem Kreisverband der AfD sowie des sattsam bekannten PEGIDA-Gründers Bachmann geteilt wird, lässt die völlige Respektlosigkeit dieser Kreise, die als Parteien im Kommunal- und Landesparlamenten vertreten sind,  gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat und seiner Justiz erkennen. Es lässt erahnen, wohin diese Republik treibt, wenn so etwas mehrheitsfähig wird.

Die Sache hat eine solche neue Dimension des Angriffs auf den Kernbereich der Rechtspflege, auf Essentials für das Funktionieren des Rechtsstaats, dass sich das Parlament schleunigst Aufschluss darüber verschaffen muss, welche Erkenntnisse die Staatsregierung über Zusammenhänge und Handlungsabläufe des Tathergangs hat, sowie welche Maßnahmen sie zur Wiederherstellung der Gesetzlichkeit im Freistaat Sachsen zu ergreifen gedenkt. Die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag wird daher sofort eine Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses beantragen.“