Buddeberg: 21 Änderungsanträge sind Antwort auf mangelnde Einbeziehung der Opposition bei Geschäftsordnungs-Entwurf

Rede der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Sarah Buddeberg, in der Debatte auf der konstituierenden Sitzung des 7. Sächsischen Landtags heute über die neue Geschäftsordnung des Parlaments (es gilt das gesprochene Wort!)  

Sehr geehrter Herr Alterspräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,

erlauben Sie mir zur Einordnung dessen, was wir bzw. meine Vorrednerinnen und Vorredner als „Geschäftsordnungsdebatte“ bezeichnen, noch einmal rechtlich sauber einzuordnen:

Die Mütter und Väter der Sächsischen Verfassung haben mit der Bestimmung des Artikels 46 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen dem Plenum des Parlaments – den gewählten Abgeordneten, die heute zum 7. Sächsischen Landtag zusammentreten – aufgegeben, sich eine Geschäftsordnung zu geben.

Dies ist nicht irgendwas, sondern vielmehr Ausdruck der dem Landtag als der gesetzgebenden Gewalt verliehenen Autonomie, seine Angelegenheiten, den Gang seiner „Geschäfte“ und die künftigen „Spielregeln“ in der vor uns liegenden 7. Legislaturperiode so zu gestalten bzw. auch anzupassen, dass sie den verfassungsrechtlichen wie gesetzlichen Vorgaben ausnahmslos entsprechen, über die gesamte Dauer der Legislatur funktionieren und eine für alle Beteiligten praktikable Arbeitsgrundlage darstellen.

Soweit zunächst zum hehren Anspruch. Gemessen daran ist jedoch die Tatsache, dass die endgültige Fassung der als Antrag der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – den Koalitionär*innen in spe – vorgelegten Geschäftsordnung der                         7. Wahlperiode in ihrem endgültigen Wortlaut erst am heutigen Morgen vorlag, ein Unding und eine echte Zumutung für alle Beteiligten.

Sie, meine Kolleginnen und Kollegen der einreichenden Fraktionen, wollen mit einer Hauruck-Geschäftsordnungsaktion in eine fünfjährige Legislatur starten, ohne den Mitgliedern meiner Fraktion die Möglichkeit einer wirklichen Mitgestaltung an der dann für alle geltenden Geschäftsordnung einzuräumen. Das zeichnete sich bereits im Verfahren der Vorberatung von möglichen Anpassungen oder grundsätzlichen Änderungen der Geschäftsordnung ab.

Von den von meiner Fraktion unterbreiteten Änderungsvorschlägen fand – mit Ausnahme der wohl auf Initiative der Vertreter*innen der Grünen-Fraktion nunmehr als § 86a GO zu findenden Neuregelung zu „Redebeiträgen weiterer Personen mit institutionellen Rechten“ (zu Beginn der                                              6. Wahlperiode als ein gemeinsamer Änderungsantrag von LINKEN und GRÜNEN gestellt) – nicht ein einziger Vorschlag Eingang in die neue Geschäftsordnung.

Die von meiner Fraktion unter enormen Zeitdruck eingereichten insgesamt 21 Änderungsanträge machen nicht nur den nach wie vor bestehenden erheblichen Änderungs- und Anpassungsbedarf der Geschäftsordnung aus unserer Sicht, sondern auch das Maß der nicht stattgefundenen Einbeziehung und der Missachtung dieser Vorschläge bei der Erarbeitung einer neuen Geschäftsordnung des Landtages mehr als deutlich.  

Ohne die Einbringung der Änderungsanträge und deren Begründung vorweg zu nehmen, müssen wir – leider – schon jetzt wieder konstatieren, dass mit dem wenig transparenten Verfahren, dass weder die Gelegenheit bot, eigene Änderungsvorschläge inhaltlich zu debattieren, noch diese mit einer gewissen Erfolgsgarantie in die neue Geschäftsordnung einzufügen, in inzwischen nahezu dreißigjähriger Manier die Chance vertan wurde, dieses Regelwerk gemeinsam und einvernehmlich an die längst üblichen parlamentarischen Standards anderer Bundesländer anzupassen und weiter zu entwickeln.

Die uns eingangs der Aussprache durch die Vertreterinnen und Vertreter der einreichenden Fraktionen vorgestellten zum Teil tatsächlich positiven Neuregelungen vermögen auch nicht darüber hinweg zu täuschen, dass dies nicht der große parlamentarische Wurf, sondern eher ein mit Blick auf die bisherige Parlamentspraxis und die Beteiligung der GRÜNEN-Fraktion als potentieller Koalitionärin gefundener Formelkompromiss zu ausgewählten  Geschäftsordnungsbestimmungen, sprich blanke Regelungskosmetik ist.

Was meine Fraktion daher kritisiert, ist, dass die immer noch anstehenden, die Ausübung der Rechte und die Tätigkeit der Abgeordneten wie der Fraktionen erschwerenden und teilweise beeinträchtigenden Regelungen nicht angegangen werden:

1. Nach wie vor hat sich der Landtag nicht vom bundesweit längst überkommenen Zählverfahren nach d´Hondt bei der Besetzung von Präsidium, Ausschüssen sowie bei der Benennung der Ausschussvorsitzenden und ihrer Stellvertreter verabschiedet und dieses Verfahren – nicht zuletzt auch dem Bundestag folgend – durch das Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguё/Schepers ersetzt, um künftig eine adäquate Vertretung insbesondere der kleinen Fraktion im Landtag zur Gewährleistung deren Chancengleichheit sicherzustellen.

2. Immer noch steht der Landtag mit der Öffentlichkeit und Transparenz der Tätigkeit seiner Ausschüsse auf Kriegsfuß. Einziger Lichtblick ist hier die Neuregelung im § 33 Absatz 2 GO, mit der die Beratung einzelner Anträge, Großer Anfragen und EU-Kommissionsvorlagen im Ausschuss für die Öffentlichkeit ermöglicht wird.

3. Eine für die Bestimmung und Konkretisierung der Informationspflichten und -läufe der Exekutive gegenüber der Legislative notwendige Regelung, die in anderen Bundesländern längst Usus ist, fehlt ebenfalls bis heute. Mangels eines auf Artikel 50 der Sächsischen Verfassung fußenden und für den Freistaat Sachsen geltenden „Parlamentsinformationsgesetzes“ sollten und müssten die wesentlichen Bestimmungen hierzu im Minimum in der Geschäftsordnung verbindlich normiert werden.

4. Nach wie vor ist die Möglichkeit für uns, als Oppositionsfraktion parlamentarische Initiativen dort einzubringen sowie zur Diskussion und Abstimmung zu stellen, wo es sinnvoll und geboten wäre, nämlich hier im Plenum, stark reglementiert. Insbesondere im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die Beschränkung auf einen Antrag pro Plenartag je Fraktion nichts anderes als eine weitere Einschränkung für die parlamentarische Arbeit. Hier hatten wir tatsächlich die Hoffnung, dass eine moderate Erhöhung von zwei auf drei Anträge in der Plenarwoche ein Kompromiss sein könnte, zu dem sich die künftige Regierung durchringen kann. Aber auch in diesem Punkt fehlte wohl der Mut auf der einen Seite oder das Durchsetzungsvermögen auf der anderen Seite am Verhandlungstisch der zukünftigen Koalitionspartner*innen

5. und letztens: Man hätte annehmen können, dass nach den Erfahrungen der letzten Plenarsitzungen der letzten Legislatur Einsicht besteht, dass eine Erweiterung von zwei auf drei Plenartage die Arbeitsfähigkeit des Parlaments deutlich verbessert. Sitzungen bis spät in die Nacht, wohlgemerkt ohne Mittagspause, und notgedrungene Ausnahmeerweiterungen der Sitzung um einen Tag werden aber weiterhin der Standard bleiben, wenn Sie unserem Änderungsantrag nicht folgen wollen. So tagt das hohe Haus auch künftig quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn nach 21 Uhr keine Presse mehr anwesend ist, Reden auf Grund des Zeitdrucks zu Protokoll gegeben werden und nur noch wenige Nachteulen den Livestream verfolgen. Transparente, lebendige Debattenkultur sieht anders aus.

Man sieht insgesamt deutlich, dass die sächsische CDU immer noch nicht von ihrem hohen Ross heruntergekommen ist und die von führenden Landespolitikern der CDU Sachsen geäußerte Demut weder in dem Verfahren für die Erarbeitung der Geschäftsordnung noch bei der Erneuerung unseres „Regelwerkes“ zu spüren ist.   

Ob das die schon beschworene Zukunftskoalition ist, müssen wir deshalb stark bezweifeln.

Nichtdestotrotz sind wir zuversichtlich, dass wir die heutige öffentliche Plenarsitzung dafür nutzen können, mit den von uns vorgelegten Änderungsanträgen einen Beitrag zu einer nach unserem Dafürhalten notwendigen Weiterentwicklung der Geschäftsordnung rechtzeitig zum Beginn der 7. Wahlperiode zu leisten.

Wir sehen daher einer sachlichen und mit Augenmaß zu führenden Beratung und Beschlussfassung zu unseren Änderungsanträgen entgegen.