Für freie Information: Weg mit §219a StGB!

Zur heutigen von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Debatte „Informieren, nicht kriminalisieren – Straftatbestand der ,Werbung für den Schwangerschaftsabbruch‘ endlich abschaffen!“ erklärt Sarah Buddeberg, Sprecherin für Gleichstellungs- und Queerpolitik:

Am 24.11.2017 wurde die Gynäkologin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt – auf der Grundlage des §219a StGB, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Dabei ging es mitnichten um grelle Werbeanzeigen. Auf Hänels Webseite fand sich unter der Rubrik „Frauengesundheit“ das Wort „Schwangerschaftsabbruch“, dazu allgemeine Informationen und der Hinweis, dass in ihrer Praxis Abbrüche durchgeführt werden.

Vor allem radikale Abtreibungsgegnerinnen und -gegner nutzen verstärkt den §219a, um Ärztinnen und Ärzte mit Strafanzeigen zu kriminalisieren und einzuschüchtern. Ihr Vorgehen lässt an ihrer behaupteten ethischen Grundhaltung zweifeln: Mit Begriffen wie „Babycaust“ setzen sie Schwangerschaftsabbruch mit dem industriellen Massenmord der Nazis gleich, auch hetzen sie gegen Ärztinnen und Ärzte, die sie auf ihren Webseiten an den Pranger stellen.

Ungewollt schwangere Frauen sind bei einer Internetrecherche wegen des „Werbeverbots“ den Hetzkampagnen der selbsternannten „Lebensschützerinnen und Lebensschützer“ ausgesetzt. Wir wollen, dass Frauen sich sachlich informieren können und die freie Arztwahl haben. Deshalb fordern wir die Staatsregierung auf (Drucksache 6/12090), im Bundesrat die Initiative der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg und Thüringen zur Abschaffung des § 219a zu unterstützen. Wer über „Lebensschutz“ spricht, darf nicht über die 47.000 Frauen schweigen, die Schätzungen zufolge weltweit jährlich an den Folgen illegaler, unsachgemäßer Abtreibung sterben.

 

Klaus Bartl, Sprecher für Rechtspolitik, fügt hinzu:

Es war einer der ersten Schritte der Nazis, zarte Reformansätze der Weimarer Republik hinsichtlich der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zurückzudrehen. Abbrüche wurden nicht mehr nur mit Geld- oder geringfügigen Gefängnisstrafen, sondern mit langjährigen Zuchthausstrafen und ab 1943 gar mit dem Tod geahndet. Passend dazu wurde im Paragraph 219a eine weitreichende Formulierung gewählt, die nicht nur unlautere, anpreisende Werbung für Abtreibungen unter Strafe stellt, sondern jede noch so sachlich-neutrale Information von Ärztinnen und Ärzten. Da der § 219a lange kaum zur Anwendung kam, überstand er die bundesdeutschen Reformdebatten und wurde auch 1976, als der Bundesgesetzgeber Schwangerschaftsabbrüche unter Bedingungen straffrei stellte, nicht angetastet. Er muss weg!