Rico Gebhardt: Unsere Klage gegen das Polizeirecht war erfolgreich - Instrumente müssen zeitgemäß, aber verhältnismäßig sein!

Zum Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gegen zahlreiche Vorschriften des sächsischen Polizeirechts erklärt der Fraktionsvorsitzende und rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Rico Gebhardt:

„Der Verfassungsgerichtshof hat eine deutliche Entscheidung getroffen und darin unserem Antrag nach viereinhalb Jahren überwiegend Recht gegeben. Das ist eine Klatsche für die CDU-Innenpolitik. Das Urteil zeigt dem Gesetzgeber klare Grenzen auf: Die Polizei braucht zeitgemäße, aber stets verhältnismäßige Instrumente. Eingriffsbefugnisse müssen sich an klaren und nachprüfbaren Maßstäben orientieren. Nachdem das erwiesenermaßen bisher nicht gewährleistet war, weil die Eingriffsschwellen zu niedrig lagen, wird ein Teil der Befugnisse der Polizei künftig an strengere Voraussetzungen geknüpft. Das Gericht stärkt damit die Bürgerrechte im Freistaat.

Insbesondere Maßnahmen zur heimlichen Überwachung wie etwa die Telekommunikationsüberwachung, bestimmte Observationen sowie der Einsatz von Verdeckten Ermittlern und sogenannten Vertrauenspersonen ist nur noch zulässig, wenn damit besonders gewichtige Rechtsgüter geschützt werden und im Einzelfall eine hinreichend konkrete Gefahr absehbar ist. Demnach reicht eine vage Prognose, dass eine Gefahr eintreten oder eine Person eine Straftat vorbereiten könnte, in der Regel nicht aus, um besonders weitreichende Instrumente einzusetzen - zu tief ist der damit verbundene Grundrechtseingriff und zu groß ist die Gefahr, Unbescholtene zu treffen. Bedenklich bleibt, dass es überhaupt dieser höchstrichterlichen Klarstellung bedurfte. Die Staatsregierung muss jetzt rasch den Entwurf für eine Gesetzesnovelle vorlegen, die dem Urteil Rechnung trägt.

In einem Punkt hatte das Innenministerium übrigens bereits ein Einsehen und entschied 2023, eine der von uns angegriffenen Regelungen zur Bildaufzeichnung des Straßenverkehrs und dem automatisierten Abgleich mit Personendaten (§ 59 SächsPVDG) fallenzulassen. Über Jahre hinweg hatte es auf dieser Grundlage nur eine einzige Maßnahme gegeben, bei der aber auch zahlreiche Unbeteiligte erfasst werden – ohne Ergebnis. Besonders absurd: Diese Befugnis hatte nicht nur keinen Nutzen, sondern der größte Teil der Polizei Sachsen konnte sie auch nie anwenden, weil ,intelligente‘ Videotechnik fehlt. Das zeigt, dass mehr Befugnisse kein Plus an Sicherheit bringen.“

Hintergrund

Im August 2019 hatten sich 35 damalige Abgeordnete der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen mit einem Antrag an den Sächsischen Verfassungsgerichtshof gewandt, um im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle eine Reihe von Vorschriften des Gesetzes zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen, das am 1. Januar 2020 in Kraft trat, für nichtig erklären zu lassen. Mit diesen Vorschriften wurden polizeiliche Eingriffsbefugnisse weit in das Vorfeld konkreter Gefahren verlagert und damit Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen ohne deutlichen Anfangsverdacht und klaren Anlass ermöglicht. Die mündliche Verhandlung fand am 14. September 2023 statt. Die im Ergebnis vom Verfassungsgerichtshof als Verstoß gegen die Sächsische Verfassung erklärten Regelungen dürfen maximal bis Mitte 2026 in Kraft bleiben und bis dahin nur noch unter erhöhten Anforderungen genutzt werden.