„Ein-Jahres-Haushalt 2019 statt Doppelhaushalt 2019/2020 - Budgethoheit des 7. Sächsischen Landtages achten und wahren!“

Rede von MdL Rico Gebhardt zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drs 6/11997

066. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 31.01.2018

Auszug aus dem Stenografenprotokoll

Herr Piwarz, da Sie jetzt dort sitzen, geht es mir besser

(Staatsminister Christian Piwarz sitzt in den Reihen der Abgeordneten – Heiterkeit bei den LINKEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eingangs eine grundsätzliche Bemerkung mit Blick auf die bevorstehenden Haushaltsberatungen. Alle wissen, dass im kommenden Jahr Landtagswahlen stattfinden. Es ist nicht akzeptabel, dass die Regierung beabsichtigt, einen Haushalt zu beschließen, der weit über diese Legislaturperiode hinausreicht.

DIE LINKE bleibt bei ihrer Forderung, dass im Dezember lediglich ein Ein-Jahres-Haushalt verabschiedet werden sollte.  Bereits mein Vorgänger Dr. André Hahn, liebe Kolleginnen und Kollegen, begründete am 10. September 2008 in der Auseinandersetzung mit dem  Doppelhaushaltsentwurf 2009/2010 unsere Position zu dem Thema des Ihnen heute zur Abstimmung vorliegenden Antrags „Ein-Jahres-Haushalt 2019 statt Doppelhaushalt 2019/2020 – Budgethoheit des 7. Sächsischen Landtags achten und wahren!“.

Dass der Antrag nach wie vor notwendig und aktuell ist, ergibt sich schon daraus, dass Sie, meine Damen und Herrn von der CDU,  vor zehn Jahren nicht auf uns gehört und auch seitdem bei diesem Thema nichts dazu gelernt haben. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf; ich sprach heute früh schon einmal dazu.

Für die Kommentatoren der Sächsischen Verfassung, zu denen auch der geschätzte Kollege Baumann-Hasske von der SPD-Fraktion gehört, war klar, dass ein Doppelhaushalt  eine Ausnahme sein kann und – gerade beim Übergang in eine neue Legislaturperiode –  das Budgetrecht des künftigen Parlaments nur mit einem Ein-Jahres-Haushalt  umfassend gewahrt bleibt.

Das Budgetrecht ist das älteste und wichtigste Recht des Parlaments. Manche sprechen sogar von einem Königsrecht und entsprechend vom Haushalts- und Finanzausschuss als Königsausschuss. Das gilt mehr denn je vor allen Dingen hier im Freistaat Sachsen, seitdem wir einen Ministerpräsidenten hatten, der „König Kurt" tituliert worden ist. Da der Staatskanzlei die Krone aufgesetzt worden ist, glauben einige in der CDU, die Königsrechte bei der Aufstellung des Haushalts lägen bei der Staatsregierung. Das ist jedoch nicht nur aus Staats- und demokratietheoretischen Gründen tatsächlich ein Irrtum. Das zeigt auch, dass viele Mitglieder der CDU-Fraktion tatsächlich die politische Bildungsarbeit der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung noch mehr in Anspruch nehmen sollten.

Es ist ja für uns Abgeordnete oft schwer genug, das Treiben des Regierungsapparates in all seinen Verästelungen immer rechtzeitig nachvollziehen und kontrollieren zu können. Wir als linke Opposition mühen uns nach Kräften – gerade auch mit dem Instrument der Kleinen Anfrage. Was angesichts der massiven Verweigerungspraxis bei der Beantwortung der Regierung ganz offensichtlich oft nicht gefällt.

Die einzige Gelegenheit des Parlaments,  die Regierung wirklich und wirkungsvoll an die Kandare zu nehmen, ist und bleibt daher die Aufstellung des Landeshaushalts. Dieser ist die in Zahlen gegossene Richtschnur des Regierungshandelns, die eigentlich das Parlament, der Landtag als Ganzes vorgeben muss.  Für Sachsen gilt das, selbst wenn dann ein Landeshaushalt allein mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschlossen worden ist, leider nur sehr eingeschränkt. 

Nicht nur, dass die CDU mit jedem Doppelhaushalt wieder und wieder eine inzwischen unübersichtlich gewordene Vielzahl von sogenannten Haushaltsermächtigungen ins Haushaltsgesetz geschrieben hat und damit das Budgetrecht des Parlaments bereist faktisch an das Finanzministerium abgegeben hat.  Nein, der Landtag wird auch darüber hinaus im Haushaltsvollzug durch die Staatsregierung mit Unterstützung der stets willfährigen Regierungsfraktionen  fortwährend  - haushaltsrechtlich – missbraucht und ausgehöhlt:

So kritisierte bereits im Jahr 2010 der Landesrechnungshof in einer beratenden Äußerung: „Die Staatsregierung lässt sich vom Parlament mittels umfangreicher Vermerke im Staatshaushaltsplan das „Umgehen“ gültiger Haushaltsrechtsvorschriften legitimieren.“

Im Kern der Kritik des Rechnungshofes stand und steht die Sorge um die Erosion des Budgetrechts des Landtages. Dargestellt an Beispielen der (von der Staatsregierung angestrebten) „Flexibilisierung“ wie der Ausbringung von Deckungsvermerken, der Kompetenz zur Bildung von Rücklagen, der umfangreichen Personalbewirtschaftungsmöglichkeiten und so weiter und so fort.

Festzustellen bleibt: Die CDU-Fraktion hat auf diese Weise kraft ihrer Mehrheiten allein oder in wechselnden Koalitionen das Parlament schleichend entmachtet. 

An diesem, nicht nur vom Rechnungshof kritisierten, intransparenten Haushaltsverfahren hält die Sächsische Staatsregierung ungeachtet dessen  bis heute unverändert fest. Ich möchte dies an zwei Beispielen verdeutlichen: 

Erstens. Jeder weiß, dass ein jedes Jahr einmal zu Ende geht. Mit einigen Abstrichen gilt das natürlich auch für Haushaltsjahre. Die Haushaltsexperten wissen es, ich spreche von der Bildung von Haushaltsresten, die die Lebensdauer bis März des Folgejahres verlängern können.

Was geschah bei der Verabschiedung des letzten Doppelhaushaltes im Dezember 2016 zunächst in der Ausschusswoche  im Haushalts- und Finanzausschusses und schließlich mit dem Plenarbeschluss zum  Haushaltsbegleitgesetzes 2017/2018? Da wurde dem Parlament vom Finanzministerium ein Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht etwa Regelungen für die zur Beratung anstehende Haushaltsperiode 2017 und 2018 beinhaltete. Nein, das Parlament beschloss, 330 Mio. Euro in einen Fonds zu stecken – den so genannten Zukunftssicherungsfonds. Und zwar zu Lasten des zu Ende gehenden Jahres 2016! Das Gesetz wurde am 28. Dezember 2016 veröffentlicht. Einen Tag später konnten das Finanzministerium die Buchungen vornehmen. Und dies alles nur, um einen Nachtragshaushalt zu verhindern! So sieht die sächsische Haushaltstransparenz à la CDU aus.

Ein zweites Beispiel: Personal. Dem Doppelhaushalt 2017/2018 kann nicht entnommen werden, wie viel Personal vom Freistaat beschäftigt wird. Wie komme ich darauf?

Der § 6 des Haushaltsgesetzes öffnet Tür und Tor für alle möglichen „Personalbewirtschaftungsmaßnahmen“. Die Wirkung: der Haushaltsgesetzgeber, also der Landtag, verliert die Übersicht und Kontrolle über wichtige Teile seines Budgetrechtes.

Man muss sich dazu das Schreiben des Sächsischen Rechnungshofes „Äußerungen zum Haushaltsentwurf 2017/2018 anschauen:

„Die dem Parlament vorgelegten Haushaltsentwürfe bieten aus unserer Sicht nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, bewusste Entscheidungen im Sinne einer Programmfunktion des Staatshaushaltsplanes zu treffen. Die haushaltsrechtliche Entscheidungsbefugnis wird zunehmend auf die Exekutive verlagert. Die im Staatshaushalt eingesetzten Instrumente bewirken vielfach eine Flexibilisierung im Haushaltsvollzug. Dadurch wird faktisch eine Budgetierung erreicht. Die Mittel unterliegen somit gegebenenfalls nicht mehr der eigentlich beschlossenen Zweckbindung und Jährigkeit. Andererseits wird durch die starke Kleinteiligkeit des Staatshaushaltes eine nicht gegebene Transparenz vorgespiegelt.“

Der Erlass eines Doppelhaushaltes suggeriert auf den ersten Blick Einsparung von Aufwand. Sieht man genauer hin, ist dieses Verfahren nichts weiter als eine Entmündigung aller gewählten Abgeordneten. Die Regierung kann ungehindert agieren, denn die Landtagsabgeordneten können nur noch alle zwei Jahre in einen Diskurs über politische Schwerpunkte und deren Finanzierung eintreten. Obwohl die Staatsregierung immens große Spielräume im Haushalt hat und hatte, hat sie keine rechtzeitigen Antworten auf die wirklich  drängenden Probleme gefunden – siehe: Polizei, Schulen, Lehrerinnen und Lehrer, kommunale Infrastruktur,  öffentlicher Dienst im Allgemeinen und Justiz im Konkreten -; ich sprach ja heute früh darüber und Sie lauschten mir aufmerksam.

Wir sehen daran: Für Zukunftsentscheidungen ist das von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Parlament zuständig; und dieses muss regelmäßig in einen öffentlichen Diskurs über die zu entscheidenden Fragestellungen treten: Was ist wie zu klären? Was erhält Priorität? Was davon, wird mit welchem Geld finanziert?

Das nennt sich im Übrigen: Repräsentative Demokratie – ein Grundpfeiler unserer Verfassung.

Gegen Ein-Jahres-Haushalte  wird gelegentlich ins Feld geführt, das schaffe Unsicherheit über die längerfristige Gewährung von Fördermitteln. Den Gegenbeweis tritt das neue Verfahren beim Landesprogramm Weltoffenen Sachsen an, zu dem die SPD-Fraktion vor wenigen Tagen stolz verkündete, dass der Förderbescheid jetzt über drei Jahre gelte. Also selbst bei einem Doppelhaushalt ist diese Überschreitung möglich. 

Tatsächlich haben gerade auch soziale und kulturelle Projekte langfristige Finanzierungssicherheit für ihre Arbeit verdient. Nicht nur für ein oder zwei Jahre – das hat aber nichts mit dem Etat, sondern mit den Förderprogrammen zu tun. Also ersparen Sie uns bitte Ablenkungsmanöver mit falschen Argumenten pro Doppelhaushalt und kämpfen Sie gemeinsam mit uns für bessere, unbürokratische,  weil verlässlichere, Förderprogramme!  

Ich komme zum Schluss und damit zum Ausgangspunkt zurück. Im konkreten Fall sprechen wir nicht nur über den bevorstehenden Plan zum Ein-Jahres-Haushalt, denn die EU-Förderperiode läuft 2019 aus, ebenso der Solidarpakt und der bisherige Länderfinanzausgleich. Dadurch wird eine grundlegende Neuanpassung des sächsischen Finanzausgleichs mit den Gemeinden und Landkreisen notwendig werden. Die Entscheidung darüber wird die Sache des 7. Sächsischen Landtags sein, da dieser neue Landtag von den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gewählt werden wird, um die dann anstehenden Probleme zu lösen.

Daher kann und darf dem künftigen 7. Landtag eben nicht mit einem noch in diesem Jahr beschlossenen Doppelhaushalt der Zugriff auf seine Staatskasse, sein Konto verwehrt werden. 

Kurzum: Im Namen der Demokratie und der finanzpolitischen Vernunft rufe ich Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen!

Vielen Dank. 

(Beifall bei den LINKEN)