„‘Meinst du, die Russen wollen Krieg?‘ – 73 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges in Europa – Sachsen braucht eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland“

Rede von MdL Rico Gebhardt, Fraktionsvorsitzender, während der Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE

072. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 30.05.2018

Auszug aus dem Stenografenprotokoll

Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Damen und Herren!

„Meinst du, die Russen wollen Krieg?" ist der Titel dieser Aktuellen Debatte, die meine Fraktion vorgeschlagen hat. Sie wissen wahrscheinlich, dass diese Textzeile einem Gedicht aus dem Jahre 1961 entspricht.

Vor 73 Jahren endete in Europa der opferreichste Kampf der Alliierten. Er endete mit besonders großen Opfern in der Sowjetarmee gegen Hitlerdeutschland, gegen millionenfaches Morden, gegen millionenfaches Morden an den europäischen Juden, gegen Folter und Zwangsarbeit, gegen Versklavung und Unterdrückung.

Auch 73 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa müssen wir das Erbe − nie wieder Krieg − aktiv pflegen. Deshalb nehmen wir mit großer Besorgnis Kenntnis, dass die Politik gerade in Westeuropa, aber auch in Teilen von Osteuropa, immer mehr von den russischen Vorurteilen in der Außen- und Wirtschaftspolitik, vor allem aber auch in vielen Massenmedien beherrscht bzw. geschürt wird. Wir teilen deshalb die Einschätzung der Leipziger Bürgerinitiative „Gute Nachbarschaft mit Russland", die im Konfrontationskurs des Westens die Gefahr eines neuen Krieges sieht.

Ich freue mich besonders, dass der frühere Fraktionsvorsitzende der SPD, Professor Cornelius Weiss, im Sächsischen Landtag dieser Initiative maßgeblich seinen Stempel aufdrückt. Damit komme ich zu einer ersten sächsischen Bedeutung dieser Aktuellen Debatte: Die Kaserne in Frankenberg bietet US-Soldaten nach eigener Darstellung eine − Zitat: „Zeit der Pause und des Auftankens, der Ruhe und des Ausspannens".

So kann man es zumindest nachlesen.

Für die Bevölkerung des angrenzenden Wohngebietes ist die besagte Ruhe leider des Öfteren vorbei, wenn sich die lärmenden US-Militärfahrzeuge durch enge Wohnstraßen zwängen − ganz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der Bundeswehr, die bei ihrer Einfahrt in die Kaserne das Haupttor verwendet. Deshalb haben sich auch Menschen aus dem Wohngebiet aus Frankenberg an unsere Fraktion gewandt. Auch in der Berichterstattung der Freien Presse in den letzten Tagen und in sozialen Netzwerken sind Probleme der Belästigung durch Militär und der Beschädigung von öffentlicher Infrastruktur zu entnehmen − ganz zu schweigen von den zahlreichen Militärkonvois auf sächsischen Autobahnen, die in letzter Zeit wieder verstärkt wahrzunehmen sind. Ziel ist ein bevorstehendes Nato-Manöver in Polen − Sie kennen das alle.

In einem Zeitungsbeitrag heißt es von einem Sprecher der Bundeswehr − Zitat: „Die Hoheitszeichen an den Fahrzeugen der US-Streitkräfte seien in Ostdeutschland noch gewöhnungsbedürftig." − Ich sage Ihnen ganz offen: Wir wollen uns daran gar nicht erst gewöhnen. Denn es sind nicht vor Jahrzehnten die Streitkräfte einer Weltmacht abgezogen, damit nun die Streitkräfte einer anderen Weltmacht ein Aufmarschgebiet Richtung Osten haben. Das kann nicht das Erbe der friedlichen Revolution sein.

Was Europa jetzt braucht, sind keine Truppenverlegungen, sondern eine neue Entspannungspolitik. Es würde Sachsen gut zu Gesicht stehen, wenn die Staatsregierung hierbei klar Farbe bekennen würde.

(Kerstin, Köditz, DIE LINKE: Sie ist gar nicht da, die

Staatsregierung! − Zuruf Valentin Lippmann, GRÜNE)

Dazu hat ihr bisher im Zusammenhang mit den fatalen Sanktionen gegen Russland, die auch der sächsischen Wirtschaft Schaden zufügt, der Mut gefehlt. Sachsen hat selbst leidvolle Erfahrung als Schlachtfeld des Krieges gemacht. Dass nun durch Sachsen Truppen für die Übung einer Schlacht gegen einen Feind im Osten geführt werden, ist historisch bodenlos dumm und eine Affront gegen die Bevölkerung.

Zum Schluss von meiner Seite: Es geht nicht darum, wer der beste Putin-Versteher ist oder nicht. Ich habe an der Politik von Präsident Putin viel zu kritisieren. Wer jedoch wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Kupfer dem Grundrechteverächter Orbán in Ungarn zur Wahl gratuliert und mit ihm Gespräche führt − ob nun privat oder auf Staatskosten − soll sich mit Kritik an dieser Aktuellen Debatte zurückhalten.

(Beifall bei den LINKEN)

Es geht uns um friedenspolitische Vernunft. Es wäre dann etwas, wenn die sächsische Staatsregierung ihre Abneigung gegen die aktuellen Truppentransporte durch Sachsen ebenso zum Ausdruck bringen würde, wie es die Landesregierung in Brandenburg getan hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)